Das Vermaechtnis des Caravaggio
der
auf den roten Fleck, der sich auf seinem Wams ausbreitete, und auf die
Türöffnung, die nur die Klinge sehen ließ. Dann brach der Kapitän zusammen.
„Danke!“, flüsterte Nerina.
„Gehen wir“, antwortete Michele,
der im Türrahmen erschien, blass und verstört. „Er stand mir im Weg.“
Die Kettenglieder klirrten, und
mehr als einmal glaubte Nerina, ihre Anwesenheit verraten zu haben. Aber die
beiden Wachen sahen Enrico nach, der quer über den Hafen die Hafenstraße
entlang ging und in die Gassen einbog.
Der Abstieg erwies sich als weniger
schwierig, als sie erwartet hatte. Michele war zwar schwach, aber immer noch
gelenkig wie ein Marder. Michele und Nerina hatten eben das Boot bestiegen, als
ein Schrei ertönte, der Wut und Hass in sich trug. Hell fuhr er hinauf, um
abrupt abzubrechen. Offensichtlich hatte Fra Domenico das Verschwinden Micheles
bemerkt.
Michele legte sich in das Boot, das
jetzt von den letzten Nebelresten im Hafen verborgen wurde. Nerina deckte ihn
zu und stakte dem Ufer entgegen.
29.
Michele lag auf einer Pritsche an
Deck, die Beine angezogen, die Hände auf den Bauch gepresst, als schmerze der
ihn selbst im Schlaf. Er atmete scharf und unregelmäßig. Nerinas Blick wanderte
von Michele zum Horizont und wieder zurück zu Michele.
„Ihn plagt ein periodisches Fieber.
Sechs, sieben Tage geht es ihm gut. In der Zeit ist er fieberfrei. Dann packt
ihn wieder die Hitze und wirft ihn aufs Lager!“
Enrico trat hinter sie und legte
seine Arme um ihren Körper, die flache Hand auf den Bauch, wo er sie sanft
kreisen ließ. Mit geschlossenen Augen drückte sie sich an ihn und genoss für
Augenblicke die Wärme der Sonne, die frische, würzige Meeresluft, das Schaukeln
der Wellen und Enricos Hand.
„Lass die Augen geschlossen, uns
folgt keine maltesische Galeere. Sie werden sich hüten, das Schiff des
Kardinalerzbischofs aufzubringen.“
Nerina lachte leise und schmiegte
sich enger an Enrico, der seine Hand langsam hinauf wandern ließ, bis unter
ihre Brüste. Warm fühlte sie sich an, als strahle sie wie eine Kerze. Ihr kam
es noch immer wie ein Traum vor, dass ihre Flucht abermals gelungen, dass sich
Michele und sie sicher und wohlbehalten auf dem Weg nach Neapel befanden. Seine
guten Verbindungen zum Kardinalerzbischof Doria waren ein Segen gewesen. Sofort
hatte dieser Hilfe versprochen, auch gegen den Druck der Johanniter. Und die
unter der Stadtbevölkerung mit Flüsterstimme verbreitete Kunde, dass die
Johanniter Michele hatten entführen wollen, hatte zusätzliche Pforten geöffnet.
Zwei Wochen lang hatten sie sich im
Kapuzinerkonvent in La Zisa verborgen, unweit der Porta Nuova im Westen
Palermos, außerhalb der Mauern, dort, wo die heißen Winde aus dem Landesinneren
selbst Papier brüchig trockneten. Sie musste sich als Mann verkleiden, da die
Mönche Frauen nicht aufgenommen hätten. In diesen beiden Wochen waren ihnen
beiden Micheles Fieberwellen erstmals deutlich aufgefallen – und seine Unruhe,
die er nur zu zügeln vermochte, indem er den Pinsel über die Leinwand wandern
ließ. Tag und Nacht war er in seiner Zelle auf und ab gewandert wie ein
Raubtier im Käfig eines Lustgartens, dem sie die Freiheit gestohlen hatten, und
das nicht wusste, wie sich wehren.
„Das Leben prickelt, Enrico“, sagte
Nerina, weil in ihr die Bilder der Katakomben aufstiegen. Die Mönche hatten die
Angewohnheit, ihre Toten in den unterirdischen Verliesen des Klosters zur
letzten Ruhe zu betten. Jedoch ließ die Trockenheit sie nicht verwesen. Wie
Lebende saßen oder lagen die Mönche in ihren offenen Särgen, in ihren Nischen,
auf ihren Stühlen. Mehr als einmal stiegen sie mit den Padres hinunter, um den
Toten frische Kleidung anzulegen, weil die alten braunen Kutten verrottet
waren. An Gemälde Micheles erinnerten sie die Katakomben mit ihrer Lebensnähe.
Glaube und Diesseitigkeit verwoben sich darin zu einem dichten Netz, in das
sich der zerrüttete Geist sorglos fallen lassen konnte. Hier traf die
Anschauung auf das sinnlich empfundene Verborgene. Ihr war gewesen, als ob die
Zeit dort stillstehe, und dieses Totenreich gemahnte sie immer daran, dass die
Bedrohung, die ihrem Leben und dem Micheles galt, keineswegs vorüber war,
sondern wie ein Unwetter am Horizont dräute.
„Wo?“, fragte Enrico, und Nerina
zuckte leicht zusammen, als sie fühlte, dass er mit seiner Hand über ihr Kleid
strich und sich die Warzen ihrer Brüste aufrichteten. Sie nahm seine Hand und
drückte sie gegen
Weitere Kostenlose Bücher