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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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sah das Profil des jungen Adligen. Kaum älter
als achtzehn Jahre schien ihm der Kerl zu sein, so füllig und weich gaben sich
seine Wangen. Von Bartwuchs fand sich keine Spur.
    „Ihr seid mutig!“, versuchte er ein
Gespräch zu beginnen. Ihn interessierte, warum sich dieser Junge für Caravaggio
so weit aus dem Fenster lehnte.
    Ohne den Kopf zu wenden flüsterte
der junge Fant vor ihm: „Ihr ahnt nicht, wie verwegen ich wirklich sein kann.
Aber hört besser zu, hier wird über das Wohl und Wehe eines bedeutenden
Künstlers verhandelt, und mir scheint, es handelt sich um ein abgekartetes
Spiel gegen ihn.“
    Erstaunt musterte Enrico den jungen
Fant noch einmal. Woher nahm dieser Bengel sein Selbstbewusstsein, seine
Sicherheit? Woher kannte er Caravaggio? Dabei fiel ihm ein, dass er diese
Stimme schon einmal gehört hatte? Aber er konnte keinen rechten Gedanken
fassen, denn die Menge im Kirchenschiff und in der Kapelle begann zu wogen wie
ein Meer, das vom Sturm gepeitscht wird. Gischt spritzte auf in Form von
geiferndem Speichel und verbalen Attacken.
    „Man müsste ihn hinter Kerkermauern
vermodern lassen!“
    „Endlich wird die Gottesmutter auf
die Erde zurückgeholt und darf Weib sein.“
    „Auf den Scheiterhaufen mit ihm!“
    „Nieder mit der spanischen
Tyrannei!“
    „Fromme Augen werden durch dieses
Bild beleidigt!“
    „Werft das Bild des
Schwesternschänders hinaus!“, schrie es plötzlich aus dem Rückraum der Kirche.
Für einen Augenblick wurde es ruhig.
    Enrico schauderte. Was wurde hier
hinausposaunt? Hatten sich die Besucher bislang auf das Bild konzentriert,
attackierten sie jetzt den Maler. Es dauerte, bis der Begriff
Schwesternschänder sich langsam durch die Menge fortpflanzte, bis es einer dem
anderen ins Ohr raunte, als dürfe man den Begriff nicht laut sagen.
    „Habt Ihr gehört, er hat seine
Schwester geschändet!“
    Wie ein Wind brauste jetzt die
Ablehnung durch den Kirchenraum und schlug immer höhere Wellen. Befürworter und
Gegner standen sich mit einem Mal schreiend und keifend gegenüber, Fäuste
wurden geschüttelt. Für Enrico das Unglaublichste war, dass es so aussah, als
würden sich selbst die Kardinäle mit bloßen Händen zu traktieren beginnen, bis
er bemerkte, dass sich die obersten Würdenträger nur einen Weg durch die Menge
bahnten. Mit ihren Kerzenhaltern hieben die Mönche auf Gläubige ein, um den
Kardinälen einen Durchschlupf zu verschaffen. Zwei Schlachtrufe hallten
plötzlich im Inneren der Kirche wider: „Spanien! Italien!“, und wie durch ein
vereinbartes Zeichen schlugen jetzt die Befürworter und Gegner aufeinander ein.
    „Hab ich es nicht gesagt?“, zischte
ihn dieser Jüngling an, fasste ihn am Handgelenk und zog ihn mit sich.
    „Kommt. Schnell, bevor sie die
Kirche zerlegen.“
    Der junge Fant ließ nicht los, so
sehr sich Enrico wehrte. Er zeigte sich erstaunlich kräftig.
    „Lasst mich los!“
    „Nicht jetzt!“, schrie ihm der
Bengel zu und sah dabei zu ihm zurück. „Ich habe genug gesehen.“
    Enrico blieb beinahe das Herz
stehen. Jetzt wusste er, woher er die Stimme kannte. Wild um sich schlagend,
ruderte Enrico durch die Menge. Je näher sie zum Ausgang kamen, desto lichter
wurde diese. Alles strömte nämlich in die entgegengesetzte Richtung, eine
Prügelei in der Kirche, an der sich womöglich die höchsten Würdenträger Roms
beteiligten, wollte sich niemand entgegen lassen. Dem jungen Fanten wurde der
Hut vom Kopf gerissen, bevor sie den Ausgang erreichten, aber Enrico bekam ihn
zu fassen.
    Kurze Zeit später fanden sie sich
in einer Nebenstraße wieder. Die gleißende Mittagssonne hatte sie beinahe blind
gemacht, als sie die Kirche verließen, jetzt legte sich der Schatten Maria
della Scalas über sie.
    Noch ganz außer Atem fragte der
junge Fant:
    „Gebt zu, Ihr habt mich nicht
erkannt!“
    „Zugestanden, ich war im ersten
Augenblick unsicher, aber Eure Stimme hat Euch verraten!“
    „Ihr lügt, Enrico!“
    „Ich lüge nicht, gebe aber zu, dass
es etwas gedauert hat. Hier, Euer Kavaliershut, Nerina. Ihr macht in der
Jünglingskleidung eine gute Figur.“
    Sie grinsten sich beide an. Mit
einem verständnisvollen Kopfnicken versuchte Enrico den Grund für Nerinas
Verkleidung zu ergründen.
    „Ihr wolltet der Enthüllung
beiwohnen?“
    „Das auch, Enrico. Ich musste aber
sehen, ob sich mein Verdacht bestätigt.“
    „Welcher Verdacht, Nerina?“
    Nerina lehnte sich gegen die
Kirchenmauer und sah Enrico an. Dieser konnte sich

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