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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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ihre Hauswirtin!
Noch nie war Nerina deren Stimme so willkommen gewesen wie gerade jetzt.
    „Ich bin hier! Könnt Ihr helfen?“, flehte
Nerina.
    Sofort ließ der Mönch ihre Hand
los, und Nerina stürzte nach vorne. Sie fing sich mit den Händen ab. Ein
Keuchen drang das Treppenhaus herauf, ein barfüßiges Tappen, dann stand Signora
Bruna vor ihr.
    „Was machst du denn auf dem Boden,
Kleines?“
    Die Frage, die folgte, zeigte
echtes Erstaunen, aber Nerina konnte nicht antworten. Sie zitterte am ganzen Leib.
    „Sie wollte beichten, Signora, und
ich gab ihr Absolution. Gehabt Euch wohl!“
    Laut aufschreien wollte Nerina,
laut herausbrechen mit der Anklage, die ihr auf den Lippen brannte, aber sie
brachte nur ein Schluchzen zustande. Sie mochte die Hauswirtin Donna Bruna
nicht besonders, aber jetzt erschien sie ihr wie ein Schutzengel.
    Sie hörte noch, wie der Mönch zur
Tür hinaus schlich, dann knickten ihr die Arme ein und sie landete ganz auf dem
Boden.
    „Nerina!“, kreischte die Wirtin des
Hauses.
    Sie fühlte, wie die Wirtin sie
aufhob und zu ihrem Bett trug. Noch benommen und mit einem stechenden
Kopfschmerz lag sie dort und überlegte, während Signora Bruna nach einem Lappen
suchte und ihn mit Wasser befeuchtete. Sie fühlte sich wie zerschlagen. Hände
und Beine zitterten, und immer wieder stieg ein Schluchzen in ihr auf, das sie
kaum beherrschen konnte. Wenn sie auch die Hauswirtin nicht mochte, wenn ihr
die hohe Stimme der Signora Bruna auch sonst auf die Nerven ging, seit heute
stand sie in ihrer Schuld. Hatte der Mönch sie abgepasst? Hatte er gesehen, dass
Michele das Haus verlassen hatte?
    Michele war sicherlich in eine der
Osterien gegangen, um zu trinken. Das tat er immer, wenn eine Arbeit beendet
war. Und was hatte dieser angebliche Mönch behauptet? In Micheles Vergangenheit
gäbe es ein Ereignis, das so schwer wiege, dass eine Exkommunikation möglich
sei. Eine Exkommunikation! Sie würde Michele vernichten. Schließlich gehörte er
unter seinen Malerkollegen und in manchen Kreisen der Kardinäle wegen seines
ausschweifenden Lebenswandels nicht zu den beliebtesten der römischen Maler.
Michele war kein Speichellecker, kein bequemer Nicker und Jasager. In ihren
Augen war er ein Künstler, der einzige in dieser Zeit in Rom, der die
Bezeichnung wirklich verdiente.
    „Alles gut?“, fragte Signora Bruna
und legte ihr den Lappen auf die Stirn. „Wer war der Karmeliter?“
16.
    Die Luft war stickig in der Kirche,
aber noch immer quollen Kardinäle, Priester und Mönche von der Straße ins
Innere. Rücksichtslos drängten hohe Würdenträger zur rechten hinteren
Seitenkapelle, stießen mit den Ellbogen oder hieben mit ihren Stäben auf die
weniger Ausgezeichneten ein, wenn sie nicht weichen wollten. Ein unheiliges
Gekreische und Gejaule erfüllte die kleine Kapelle in der Kirche Santa Maria della
Scala in Trastevere. Alles starrte erwartungsvoll auf das Bild, das über dem
Altar der Seitenkapelle hing, noch aber unter den Falten einer großen weißen
Leinenbahn verborgen lag.
    Enrico hatte sich eine Nische in
der Ecke erobert. So übersah er den gesamten Kirchenraum ebenso wie das
verhüllte Bild. Neugierig blickte er hinüber zum Hauptaltar, über dem das
Gemälde der Madonna hing, das sonst im Mittelpunkt der Verehrung stand und
dessen erwiesene Wundertätigkeit die Menschen anlockte. Heute kümmerte sich
niemand darum, alles drängte zur Kapelle, um dort der Enthüllung von
Caravaggios ‘Tod Mariäs’ beizuwohnen. Enrico spähte umher, ob er auch Nerina
irgendwo entdecken konnte, aber im Kirchenraum befanden sich nur Männer, und
die Karmeliter, die draußen vor der Kirche standen, hätten vermutlich keine
Frau hereingelassen.
    An ihm drängte sich ein junger
Adliger vorüber, dessen auffallend dichtes schwarzes Haar in sanften Wellen
über der Schulter lag. Er stieß Enrico grob in die Seite, und Enrico boxte
erbost zurück, was der junge Fant einfach ignorierte. Stattdessen zwängte er
sich in die von Enrico geschaffene Lücke und schob sich so weiter nach vorne.
Lockenpracht und Hut verdeckten ihm jetzt die Sicht auf den Altar vor ihm.
Enrico fluchte innerlich über die Unverfrorenheit dieses adligen Laffen.
    Im selben Augenblick verstummte die
Menge, die mittlerweile dicht an dicht stand. Melodischer Gesang erfüllte das
Innere der Kirche, eine musikalische Arabeske, die sich um den Namen der
Jungfrau Maria wand. Aus der Sakristei trat eine Prozession Karmelitermönche,
Kerzen in der

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