Das Vermaechtnis des Caravaggio
des
Marientodes?“
„Zu beidem. Schließlich findet sich
in diesem Atelier kein Scudi mehr, den wir ausgeben könnten. Kein Geld, kein
Wein, kein Wein, keine Umarbeitung. So sieht es doch aus.“ Kokett beugte sie
sich zu ihm hin. „Und ich möchte wissen, wer dieser Signor Domenico war.“
„Du machst mich krank, Nerina.“
„Noch einmal, Michele, was wollte
er? Woher kennst du ihn? Ich habe ihn gerochen, aber ich weiß nicht, woher ich
diesen Geruch kenne.“
Stumm saß Michele am Maltisch und
biss sich auf die Lippen. Nein, das ahnte sie, er würde nichts sagen.
„Der Wirt in der Osteria in unserer
Straße wird dir nicht mehr lange Kredit gewähren, lieber Michele. Wir sollten
uns also Gedanken darüber machen, wer hinter diesen Fehlschlägen steckt, was
damit bezweckt werden soll und warum man ausgerechnet dich dafür ausgesucht
hat! Sonst kannst du dir die Sohlen deiner Ledersandaletten kochen.“
„Es wird sich etwas finden!“
„Nicht, wenn du nicht weißt, wer
deine Feinde sind.“
„Alle, die nicht malen können“,
fauchte er sie trotzig an.
„Bah. Sie alle können malen!“
„Aber keiner wie ich! Ich hasse
diese Dilettanten. Sie sind allesamt Schmierfinken, die den Begriff Maler nicht
verdienen. Was können sie schon? Klecksen, Spielkarten malen, süßliches Heiligenbrimborium
erschaffen. Ich weiß, dass dies den weinerlichen und bigotten Kardinälen der
spanischen Fraktion gefällt. Je süßlicher, desto mehr Menschen bewundern das
Gekleistere. Es gibt nur wenige, die ich als ehrenhafte Künstler bewundere,
auch wenn es Gauner sind wie Giuseppe Cesare d’Arpino. Ich verabscheue den
Menschen, aber ich respektiere den Künstler.“
Schwerfällig erhob sich Michele und
tappte auf Nerina zu. Sie roch seinen weinseligen Atem. Die ganze Nacht hatte
er damit zugebracht, seine Niederlage mit dem besten Abruzzer Tropfen zu
betäuben, den ihm der Sekretär des Herzogs d’Este damals hatte schicken lassen.
„Den Zucchero lass ich noch gelten,
den Pomarancio sowie Annibale Carraccio und Antonio Tempesta. Alle anderen – pfeif
auf sie.“ Mit einem wässrigen Rülpser begleitete Michele seine Aufzählung. „Du
weißt, dass die erste Fassung der Bekehrung des Saulus zu volkstümlich war.
Vielleicht habe ich mich verzettelt, zu unruhig gemalt. Ich kann die Kritiker
durchaus verstehen.“
Ein verzweifelter Blick Nerinas an
die Decke gab Michele zu verstehen, dass sie ihn nicht für ganz richtig im Kopf
hielt.
„Natürlich. Der Meister aller
Farben, der Zauberer des Lichts, der Säufer mit dem genialen Pinselstrich
versteht alles, was unzureichend gebildete Kleriker an seinen Bildern
auszusetzen haben.“
„Ich werde wieder Geld bekommen.
Ich werde ein anderes Bild malen.“
Nerina steckte sich einen Dolch so
unter das Wams, dass er von außen nicht gesehen werden konnte.
„Dann musst du dich beeilen,
Michele. Signora Bruna, deine Wirtin, war letztens nicht allzu begeistert, als
sie gesehen hat, dass du das Dach abgedeckt hast.“
Mit einer wegwerfenden Handbewegung
tat Michele die Warnung ab. Er begann zwischen Leinölkrügen und Töpfen mit
Farbpigmenten zu suchen. Nerina bemerkte, dass sie ärgerlich wurde, dass sie
seine Art nicht länger hinnehmen wollte, dass sie ihn verletzen, ihm einen
Stachel setzen musste.
„Wein ist nicht mehr im Haus,
Michele. Du musst arbeiten! Setz dich hin und mal einen deiner billigen Köpfe
wie vor einigen Jahren“, meinte sie spöttisch.
„Ich arbeite, wann es mir passt,
und ich male nur noch, was mir gefällt!“, fuhr Michele sie an und schlug nach
ihr. Geschickt wich sie aus, weil sie seine Reaktion vorhergesehen hatte. Jetzt
musste sie allerdings bald den Raum verlassen. In solch gereizter Stimmung war
Michele unberechenbar.
„Und ich werde mich umsehen und
umhören. Mach du, was du willst, Michele.“
Sie ließ ihn stehen, verließ die
Wohnung, sprang behände die Treppen hinab und schlüpfte auf den Hinterhof
hinaus. Sie mochte nicht gesehen werden, wenn sie in ihrer Verkleidung das Haus
verließ, schließlich erwartete sie, dass ihr der Schatten noch immer vor der
Tür auflauerte. Der Hinterhof war ohne Ausgang, aber das Dach eines
Hühnerverschlags reichte bis zum Fenster des Treppenhauses. Nerina stieg
hinauf, schlüpfte durch das Fensterloch, sprang in das Treppenhaus des
Hintergebäudes und trat dann auf die Straße hinaus, die hinter ihrem eigenen
Haus entlang führte. Niemand würde das erwarten. Dann ging sie in
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