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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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Patres der Karmeliter sich an die
trotz allem merkwürdige Theologie würden gewöhnen können, obwohl sie selbst
Distanz zur von Spanien beherrschten Kirche pflegten. Micheles Apostel, die
hier Maria umstanden, waren keine Priester, wie es die derzeitige päpstliche
Linie vorschrieb, sie waren allesamt Laien, allesamt einem kreatürlichen
Glauben verhaftet, keineswegs Repräsentanten einer offiziellen Kirche, sondern
einem natürlichen Bedürfnis der Trauer und Kontemplation verbunden, die keinen
anderen Beistand außer den göttlichen benötigt. Und eben der fehlte. Eilte
nicht der Legende nach Christus herbei, um Marias Seele in den Himmel zu
geleiten? Wo war er? Warum fehlte er?
    „Wie ich sehe, ist das Bild
fertig!“
    Nerina fuhr herum und starrte auf
den Karmeliter, der mitten im Zimmer stand. Sie hatte ihn nicht kommen hören.
    „Ich wollte Euch nicht erschrecken,
sondern mich nur über den Stand der Dinge erkundigen. Es tut mir leid.“
    Mit einer ruhigen Geste legte er
die Faust auf seine Brust, indem sich Daumen und Zeigefinger berührten, und
beugte sich leicht nach vorne.
    Nerina musste schlucken. Ihre Kehle
kratzte, so trocken war sie. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, zögerte.
    „Wie kommt Ihr herein?“
    Sie hörte sich selbst rau und
stockend fragen.
    „Die Tür stand offen.“
    Ein Gefühl sagte ihr, dass etwas
nicht stimmte mit diesem Mönch, dessen Gesicht nur als grauer Schatten unter
der Kapuze zu ahnen war. Sie schlug das Tuch wieder über den Marientod und zog
es straff, damit es nicht auf dem Malgrund auflag.
    „Es muss noch trocknen, und der
Firnis fehlt auch. Zwei Tage oder drei, dann bringt Michele es vorbei. Ihr
erfahrt es rechtzeitig.“
    Der Mönch trat einen Schritt näher.
Unwillkürlich betrachtete Nerina die Füße des Karmeliters. Sie fühlte, wie sich
ihre Haare im Nacken dabei zu einer Gänsehaut aufrichteten. Das waren keine
Karmeliterfüße, das waren keine Füße, die ihr Leben hindurch barfuß gelaufen
waren, so weich und weiß und gepflegt, wie sie sich zeigten, zu hell war die
Haut, so haarlos und sauber, dass sie beinahe rötlich wirkte. Keine Wunden,
keine Schrunden, kein unlöslicher Schmutz in den Rissen der Schwielen. Der
Mönch war kein Karmeliter. Sie musste noch einmal schlucken. Wer immer das war,
sie durfte mit ihm nicht allein im Zimmer bleiben. Ihr Instinkt sagte ihr, dass
eine Gefahr von diesem Menschen ausging. Sie musste ihn aus dem Atelier
vertreiben oder selbst das Haus verlassen. Wo um alles in der Welt befand sich
Michele? Sie versuchte es mit einer Notlüge.
    „Wenn Ihr Fragen an Michele habt,
dann geht mit mir. Er sitzt um die Ecke in der Osteria und feiert das Ende des
Auftrags. Was jetzt noch kommt, ist meine Aufgabe. Die Arbeit des Meisters ist
getan.“
    Sie erhob sich und deutete an, der
Mönch solle ihr folgen, aber als sie an ihm vorüber wollte, griff eine harte
Hand zu und hielt sie fest. Sofort schossen Nerina die Warnungen Enricos durch
den Kopf. Wer lungerte immer vor dem Haus herum? Wer schlich hinter ihr her?
Wer hatte versucht, sie beide zu belauschen? Und in diesem Moment roch sie ihn,
roch ihren Verfolger – und sie roch den Tod.
    „Ich habe eine Frage an Euch.“
    „Fragt“, erwiderte Nerina, und sie
hörte sich überraschend fest antworten, „aber lasst mich los. Es tut weh!“
    „Ihr werdet es ertragen“, meinte
der Mönch, der jetzt hinter ihr stand. „Warum arbeitet dieser Caravaggio so
stockend? Er sollte sich beeilen, sonst wird die Kurie die Wahrheit über seinen
Lebenswandel verkünden. Und diese Wahrheit könnte ihm schaden, jetzt, da er im
Begriff ist, einer der ganz Großen zu werden.“
    Mit heftigen Bewegungen versuchte 
Nerina sich loszureißen, aber die Hand zwang sie zu sich
    her.
    „Ich weiß nicht, was Ihr wollt und
wovon Ihr sprecht. Sagt es Michele, nicht mir. Ich helfe nur bei der
Zubereitung der Farben und trage Firnis auf.“
    „Und teilt das Bett mit ihm.“
    „Ihr seid kein Mönch, sondern ein
lüsterner Bock“, fuhr Nerina ihn an.
    Die Hand schloss sich so fest, dass
sie unwillkürlich in die Knie ging. Nerina konnte nichts dagegen tun. Wie von
selbst beugte sie sich nach vorne, um den Schmerz im Handgelenk erträglich zu
halten.
    „Sagt endlich, was Ihr gegen ihn zu
klagen habt!“, schrie sie in der Hoffnung, sie würde gehört.
    „Es würde genügen, ihn zu
exkommunizieren.“
    „Nerina?“, rief plötzlich eine
Stimme von der Treppe her. „Bist du noch oben?“
    Signora Bruna,

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