Das Vermächtnis des Martí Barbany
Mutter stärker als ich sind! Bevor
ich überhaupt anfange, weiß ich schon sicher, dass ich den Kampf verloren habe.«
In diesem Moment kehrte Ruth mit dem Glas für ihren Vater zurück. Sie stellte es auf den Tisch und versuchte es hartnäckig noch einmal: »Gestattet Ihr nicht, dass ich bleibe? Ich sage kein Wort und lerne bestimmt vieles. Ihr habt tausendmal gesagt, Herr Barbany sei ein kluger junger Mann und das Gespräch mit ihm eine reine Wonne.«
Der Jude wandte sich an Martí.
»Ihr seht ja, dass ich gut über Euch gesprochen habe. Aber wenn es nicht so wäre, hätte diese böse Zunge auch das Gegenteil völlig bedenkenlos weitererzählt.« Dann drehte er sich zu seiner Tochter um. »Ruth, Herr Barbany ist hergekommen, weil er etwas Konkretes auf dem Herzen hat, und ich stelle mir vor, dass sich seine Probleme nicht als Unterhaltung eines elfjährigen Mädchens eignen. Tu mir den Gefallen und zieh dich unverzüglich zurück.«
Das Mädchen zeigte keine allzu große Bereitschaft, ihm zu gehorchen, doch in diesem Augenblick hörten sie eine Frauenstimme, die nach ihr rief. Das gefiel Ruth offenbar nicht, und sie stieß einen wütenden Seufzer aus. Nachdem sie eine drollige Grimasse gezogen hatte, lief sie zu ihrer Mutter, die sie an der Tür erwartete.
Die beiden Männer standen einander gegenüber. Der Jude schenkte sich ein Glas Limonade ein und forderte Martí auf, sich zu setzen.
»Nun gut, lieber Freund, unterrichtet mich über den Grund Eures Besuchs. Ich ahne, dass es etwas Wichtiges ist, da Ihr zu mir gekommen seid, ohne dass Ihr Euren Besuch angekündigt habt. Außerdem sehe ich, dass Ihr diesmal ohne Pater Llobet erschienen seid, und daraus schließe ich, dass allein meine Ohren Eure Sorgen hören sollen.«
Martí antwortete: »Wie Ihr erfahren werdet, haben meine Zuneigung zu Pater Llobet und meine Dankbarkeit ihm gegenüber bewirkt, dass ich diesmal Euren Rat erbitte, ohne ihm einen Teil meiner Sorgen mitzuteilen. Ich glaube, wegen seiner Stellung ist es besser, dass er bestimmte Dinge nicht erfährt, die ich Euch bekennen möchte und die ihn bloßstellen könnten, wenn andere davon erfahren sollten.«
»Ich verstehe. Ich bin ganz Ohr.«
Martí sprach längere Zeit und erläuterte dem Juden, was er mit seinen Geschäften erreichen wollte und welch sonderbaren Vorschlag ihm der Ratgeber des Grafen gemacht hatte. Baruch, der ihn kein einziges Mal unterbrochen hatte, strich sich am Ende über seinen langen Bart und
sagte nach einer Pause: »Ihr bittet mich um einen Rat, der recht schwer zu geben ist. Wir, die Angehörigen meiner Rasse, wissen nur zu gut, wie sich manche bestechliche Personen verhalten, die ihren Einfluss verkaufen, und dass es ohne ihre Zustimmung beinahe unmöglich ist, in dieser Stadt voranzukommen. Wenn wir irgendein Geschäft beginnen, gehen wir stets davon aus, dass wir einen heimlichen Teilhaber haben, der immer ein paar Stücke des Kuchens für sich behält, ohne etwas zu leisten oder zu wagen. Sie sind wie Blutegel. Man muss sie maßvoll und klug benutzen. Wenn man sie nämlich richtig einsetzt, können sie einen nutzbringenden Aderlass bewirken, der Euch das Leben rettet, wenn Ihr aber zu weit geht, können sie Euch ausbluten.«
Martí nahm die Worte des weisen Mannes begierig auf. Dieser erklärte weiter: »Bei jedem Handelsgeschäft gibt es einen Vertrag, nach dessen Klauseln sich beide Seiten richten müssen. Aber wenn man mit diesen Personen zu tun hat, von denen, was Ihr nicht vergessen dürft, es am Hof wimmelt, sind keine Papiere zulässig, denn wie es logisch ist, unterschreiben sie niemals ein Dokument, das sie bloßstellen kann. Wenn Ihr ihnen nicht ihren Anteil gebt, könnt Ihr gleich Euer Bündel schnüren und in andere Länder gehen. Und zwar in ferne, sehr ferne Länder, denn ihr langer Arm reicht ungeheuer weit...«
»Was kann ich dann tun?«
»Bedient Euch des Mannes, wenn er Euch nutzt«, entgegnete Baruch mit einem verschmitzten Lächeln.
»Ich verstehe Euch nicht.«
»Sagtet Ihr nicht, dass Ihr ihm immer und bei jedem Geschäft einen Anteil geben müsst, wenn seine Unterschrift notwendig ist, um es zu genehmigen?«
»Das habe ich gesagt, und so ist es vereinbart.«
»Nun, dann haltet Euch genau an die Abmachung und bemüht Euch um Geschäfte, die nicht seine Zustimmung benötigen. Allerdings müsst Ihr ihm seinen Anteil an den anderen geben, damit Ihr für ihn eine gute Investition seid und er versteht, dass er fette Einkünfte verliert,
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