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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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Mädchen.
    Vom Garten aus betrachtete Martí das Haus. Von seinem Platz aus konnte er die Galerie sehen, an der das Arbeitszimmer des Juden lag, und weiter entfernt entdeckte er zwei Eingänge, die, wie er annahm, wahrscheinlich zu privaten Zimmern gehörten. Dann kam eine Hausecke, und die nächsten Räume waren wohl die Küchen. Darüber dachte er nach, als die Kleine zurückkam. Sie trug ein Tablett, auf dem eine Karaffe mit einer verlockenden gelben Flüssigkeit und zwei Gläser standen.
    »Wenn es Euch nichts ausmacht, leiste ich Euch Gesellschaft. Es ist immer besser, in Gesellschaft und nicht allein zu trinken.«
    Dabei stellte sie das Tablett auf den Tisch, nahm die Karaffe und goss Limonade in die zwei Gläser.
    »Danke«, sagte Martí lächelnd. »Du bist sehr freundlich, aber ich möchte nicht, dass du deine Zeit mit mir verlierst. Als ich gekommen bin, schien es mir, als wolltest du gerade eine Arbeit erledigen. Mach dir bitte keine Umstände: Ich warte auf deinen Vater.«
    »Seid unbesorgt, meine Arbeit kann warten. Trinkt und sagt mir, wie Euch meine Limonade schmeckt.«
    Martí setzte das Glas an die Lippen, und nachdem er gekostet hatte, lobte er das Mädchen mit vollem Recht: »Köstlich und frisch, wie du.«
    Das Mädchen antwortete mit einer Zungenfertigkeit, die nicht seinem Alter entsprach: »Vielen Dank für Euer Kompliment. So, glaube ich, müssen die Mädchen sein, wenn sie jemandem gefallen wollen. Ein Mann erwartet, wenn er nach Hause kommt, ein bisschen Ruhe und vor allem Freude.«
    »Glaube mir, wenn ich dir sage: Solltest du wirklich tun, was du versprichst, so wirst du mühelos einen guten Mann finden, sobald die Zeit gekommen ist.«
    Das Mädchen deutete ein entzückendes Lächeln an.
    In diesem Augenblick ging die Tür zu Baruchs Arbeitszimmer auf, und die Gestalt des Juden zeigte sich. Er raffte die Schöße seines Überrocks zusammen und stieg die Stufen hinab, die zwischen Haus und Garten lagen. Als er sich näherte, sagte er in liebenswürdigem Ton: »Lieber Freund, welchem Umstand habe ich die Ehre Eures Besuchs zu verdanken? Meine Tochter hat mir mitgeteilt, dass Ihr gekommen seid, und ich habe meine Geschäfte so schnell wie möglich erledigt, damit ich mich Euch widmen kann.«

    Martí war aufgestanden. Er stellte das Glas auf den Tisch und ging dem anderen entgegen.
    »Ich habe in sehr angenehmer Gesellschaft gewartet. Ich muss Euch beglückwünschen: Eure Tochter ist ein bezauberndes Mädchen und eine aufmerksame Gastgeberin.«
    »Vielen Dank für das Kompliment. Ich glaube, ihre Mutter und auch ich, wir haben versucht, unseren drei Töchtern die Regeln der guten Erziehung beizubringen. Allerdings frage ich mich manchmal, ob sie so gut gelernt wurden, wie wir sie gelehrt haben.«
    Das Mädchen wartete lächelnd. Der Jude wandte sich an sie.
    »Ruth, offenbar hast du dich diesmal sehr gut benommen. Dieses eine Mal bin ich stolz auf dich, obwohl ich nicht daran zweifle, dass dir unser Gast gefallen hat, sonst hättest du schon eine Ausrede gesucht, damit du den Auftrag einer Schwester überlassen kannst. Verabschiede dich jetzt und geh ins Haus, sei bitte so freundlich. Deine Mutter erwartet dich.«
    Mit schmollender Miene fragte die Kleine ihren Vater: »Darf ich die Limonade in Eurer Gesellschaft austrinken? Ihr habt mir immer gesagt, dass es gegen die Regeln des guten Benehmens verstößt, wenn man einen Gast allein trinken lässt.«
    »Ruth, komm mir nicht mit weiblichen Spitzfindigkeiten. Ich kümmere mich um unseren Gast. Bring noch ein Glas und zieh dich zurück.«
    Martí sah der Szene belustigt zu. Das Mädchen nahm das Tablett mit seinem Glas, und nach einem angedeuteten Knicks entfernte es sich zur Küchentür.
    »Ihr könnt mich gewiss entschuldigen. Niemand kennt das Kreuz, das ein Vater zu tragen hat, der einen Sohn haben wollte und drei Töchter gezeugt hat.«
    »Wenn ihre Schwestern so entzückend wie diese Kleine sind, sage ich Euch ein goldenes Alter voraus.«
    Der Jude schüttelte den Kopf.
    »Da habe ich meine Zweifel. Sie ist ein Spiegel mit tausend Einzelteilen, und in jeder Lage bietet sie die eine oder andere Spiegelfläche, ganz wie es ihr passt. Heute hat sie sich über Eure Gesellschaft gefreut: Vielleicht habt Ihr sie wie eine Frau behandelt, und das hat sie mit ihren kaum elf Jahren überglücklich gemacht, und sie hat ihr liebenswürdigstes Gesicht gezeigt. Aber wehe mir, wenn ich es mit den drei Schwestern aufnehmen will, die im Bund mit ihrer

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