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Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Knight
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Haut schmerzten nicht. Auch die Steine pieksten nicht und die Sonne war nicht glühend heiß. Keine Fliege plagte mich, alle Wunden heilten.
    In diesen zwei verrückten Minuten war alles gut und richtig.
    Wir rannten wie zwei abgeschossene Pfeile nebeneinanderher. Es war ein Wahnsinnsrennen, es war, als wetteiferten wir darum, wer von uns beiden als Erster sterben dürfe. Es war schrecklich. Aber es war auch wunderbar.
    Vielleicht waren dies unsere letzten Augenblicke, das letzte Mal, dass unsere Schatten auf die Erde fielen, aber es war uns egal. Wir mussten einfach nur rennen. Wir rannten so lange, bis wir völlig außer Atem waren, und dann zwangen wir uns, noch weiter zu rennen. Als wir zu einer Steigung kamen, bremste der Anstieg mein Tempo allmählich ab. Ich spürte Emmas Atem in meinem Rücken und warf einen Blick über die Schulter. Da ließ sie sich vornüberfallen, sodass sie in einer Staubwolke im Sand landete. Wir wussten, dass wir die Landminen weit hinter uns gelassen hatten, aber es dauerte lange, bevor wir wieder genug Luft hatten, um reden zu können.
    Wir lagen unter der brennenden Sonne und hechelten wie die Tiere.
    »Geschafft!«, brachte ich endlich hervor. »Wir haben es tatsächlich geschafft!«
    »Du bist gesprungen wie eine Ziege«, sagte sie.
    »Und du siehst aus wie eine Ziege«, gab ich zurück.
    Plötzlich hörten wir eine Explosion. Die Kuh flog durch die Luft, Bauch nach oben. Dann folgte eine weitere Explosion und noch eine, ausgelöst durch die erste, bis die Luft erfüllt war von rotem Sand, Dornenzweigen und Teilen der Kuh, ein Gemisch, das wieder und wieder in die Luft gewirbelt wurde.
    Als die letzte Mine explodiert war, hörten wir den Wind heulen. Ich dachte, dass die heiße, trockene Wüste jetzt, wo wir dem Minenfeld entkommen waren, keine Gefahren mehr bereithielt. Aber Emma wusste es besser.
    »Die Explosionen werden Soldaten anlocken«, sagte sie, und noch ehe sie ausgesprochen hatte, hörten wir das ferne Dröhnen eines Automotors. Emma schaute sich hastig um, dann deutete sie auf ein Dickicht aus stachligen Sträuchern und einer merkwürdigen blaugrauen Kaktusart. Kein sehr einladendes Versteck, wie mir schien, aber Emma steuerte entschlossen darauf zu.
    Ich folgte ihr. Sie zwängte sich in eine kleine Mulde zwischen den stachligen Büschen, gerade mal so groß, dass ein Kaninchen hineingepasst hätte. Kurz darauf sahen wir einen Jeep in zwanzig Metern Entfernung über den Höhenrücken rasen und mit einem dumpfen Knall im weichen Sand stoppen. Der Motor wurde abgewürgt. Obwohl nur ein Zweisitzer, war der Jeep mit sieben Menschen besetzt. Es waren die sieben ungewöhnlichsten Menschen, die ich je gesehen hatte.
    Emma sagte, es seien Dinkakrieger. Ihr eigener Stamm war verwandt mit den Dinka, aber als ich sie fragte, ob das hieße, sie würden uns möglicherweise helfen, erklärte sie, dass in dieser Gegend jeder Mensch Gefahr bedeute, größere Gefahr noch als Löwen oder Schlangen.
    Drei der Männer trugen Militäruniformen und hatten Maschinengewehre bei sich. Die übrigen waren mit einem unglaublichen Mischmasch an Kleidung ausgestattet. Zwei trugen nachgemachte Fußballtrikots von Arsenal und Chelsea, Pyjamahosen und Federboas, und zwei Krieger hatten Kleider an. Was den Anblick noch bizarrer machte, war der Umstand, dass sie alle mehr als zwei Meter groß waren – bei Stammesangehörigen der Dinka nichts Ungewöhnliches –, sodass ihnen ihre gemusterten Kleider gerade mal bis auf die Oberschenkel reichten.
    Einer mit einem rosa Sonnenhut auf dem Kopf schien der Anführer zu sein. Ein anderer hatte eine wattierte Steppjacke mit pelzgefütterter Kapuze an.
    »Die sehen ja echt komisch aus«, flüsterte ich, als die Krieger den Hang hinabliefen, zu der Stelle, von der sie die vielen Explosionen gehört hatten.
    »Sie sind von der Sudanesischen Befreiungsarmee«, sagte Emma leise. »Sie lauern in der Nähe von Minenfeldern und warten darauf, dass sich Tiere in die Luft sprengen. Sie kommen wegen der Kuh.«
    »Warum sind sie so angezogen?«
    »Wir tragen die Kleidung, die von reichen Ländern gespendet wird. Die Männer der Dinka sind aber so groß, dass ihnen die Hosen, die sie bekommen, nicht passen. Deshalb ziehen sie Kleider an. Die Federn und das andere Zeug sind nur so aus Spaß. Und große Hüte sind bei allen beliebt als Sonnenschutz.«
    Der Krieger mit dem rosa Sonnenhut hatte im Sand ein abgerissenes Bein der Kuh entdeckt und schoss, um seinen Erfolg zu

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