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Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Knight
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mich nicht erreicht hatte. Schweigend streifte sie die Handpuppen ab und verstaute sie wieder in ihren Taschen, und ich glaube, sie wusste genau, dass sie sie nie wieder über die Hände ziehen würde. Dann schob sie mich wortlos zurück in die Dunkelheit meines Zimmers. Ihre Munition war aufgebraucht.
    Und ausgerechnet in dieser Nacht, es muss ungefähr Mitternacht gewesen sein, geschah es, dass meine Welt explodierte …
    Es war Vollmond. Ich erinnere mich, weil ich in meiner Vorstellung einen halbherzigen Kampf mit einem Trupp seltsamer Mondmonster ausfocht und Shipley mir dabei half. Der Kampf lief nicht gut für uns, und ich machte mich gerade bereit, zu einem der Krater zu fliehen, die von den Augen des Mannes im Mond gebildet wurden.
    Da öffnete sich leise meine Zimmertür. Man muss wissen, dass sonst um diese Zeit meine Tür nie geöffnet wurde. Schwester Mary schlief längst. Und Schwester Ubo kam gewöhnlich hereingepoltert wie eine aufgescheuchte Giraffenherde. Dieser nächtliche Besucher aber war jemand auf leisen Sohlen … mit kleinen Schritten … schwerem Atem …
    Natürlich konnte ich den Kopf nicht drehen, deshalb musste ich mir ein Bild aus den Geräuschen machen, und das wiederum konnte ich gut. Drei kleine Schritte, Einatmen, Räuspern, ein Geruch nach Regen und kalter Luft, der den Eindringling umgab. Meine Augen wurden groß, füllten sich mit Mondlicht.
    Plötzlich spürte ich, dass sich meine Nackenhaare sträubten. Härchen, von denen ich bis zu diesem Augenblick überhaupt nichts gefühlt hatte!
    Die leisen Schritte näherten sich und dann spürte ich einen fremden Atem auf meinem Hals. Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter, eine kleine Hand, sanft und kühl. Ich spürte den Druck von Fingern auf meiner Haut und ein eigenartig schmerzhaftes Prickeln in meiner Wirbelsäule, das sich langsam ausbreitete.
    Wieder das Ausatmen und dann eine Stimme: »Toby Walsgrove«, sagte jemand, und ich erkannte in diesen zwei Worten die Stimme eines Jungen mit fremdem Akzent. Etwas Triumphierendes lag darin, als ob der, der da gesprochen hatte, schon seit Hunderten von Jahren darauf wartete, meinen Namen so auszusprechen.
    »Wer bist du?«, sagte ich, und ich schwöre, ich brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass meine Stimme tatsächlich zu hören war!

2. Kapitel
    A ls der Fremde aus der Dunkelheit ins Mondlicht trat, konnte ich sehen, dass es ein etwa sechzehnjähriger Junge war, schmächtig, mit schwarzen, eng anliegenden Sachen und einer Art Mütze mit zwei Hörnern, die fest auf seinem Kopf saß. Als er sie abnahm, um sich zu zeigen, fiel eine Fülle dichter schwarzer Haare in alle Richtungen auseinander. Erst jetzt konnte ich ein Paar grüne Augen erkennen, die mit großer Eindringlichkeit auf mich herunterschauten.
    »Beeil dich, Toby«, flüsterte der Junge. »Wir müssen hier weg sein, bevor der Mond untergeht.«
    Mit der freien Hand fuhr er durch sein Haar, dann kratzte er sich mit dem Handgelenk schnell hinter dem Ohr. Auf einmal irrte der Blick seiner ungewöhnlich grünen Augen im Zimmer hin und her – er verfolgte einen Nachtfalter.
    »Aber wer bist du?«, fragte ich noch einmal, und vor Verblüffung über den Klang meiner eigenen Stimme bekam ich fast Schluckauf.
    »Wer ich bin, ist nicht wichtig, Toby Walsgrove«, sagte der Junge mit ernster Miene, ließ aber den Nachtfalter nicht aus den Augen. »Wir zwei Krieger müssen jetzt machen, dass wir zum Mond kommen und schwimmen, was das Zeug hält. Basta. Fragen bei Sonnenaufgang.«
    Ich spürte, wie seine knochigen Finger meine Hand drückten. Und als er endlich seinen Blick von dem Nachfalter löste, bemerkte er die Verwunderung in meinem Gesicht. Er las meine Frage genauso mühelos, wie es Schwester Mary getan hätte.
    »Mein Großvater hat dir einen Brief geschrieben«, flüsterte er. »Aber als er keine Antwort bekam, fand er es an der Zeit, dich …«, er drückte besonders heftig, »dich ein für alle Mal aus diesem trägen, traurigen, armseligen Leben zu reißen.«
    Auf einmal – als wäre es das Natürlichste der Welt – spürte ich, wie meine Finger langsam gegen seine Hand drückten, ganz so, wie er die meine drückte!
    Ich schrie auf. Ein dummes kleines Keuchen vor Schreck. Mein sonderbarer Besucher lächelte.
    »Toby, ich möchte am liebsten tanzen, so froh bin ich, dass dieser Augenblick endlich gekommen ist. Warum tanzt du nicht mit mir?«
    Inzwischen klammerte ich mich mit meiner ganzen Kraft an seine Hand, als

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