Das Vermaechtnis des Will Wolfkin
gekommen. Sie hat dich im Stich gelassen. Sie ist frei und du sitzt im Gefängnis. Was verdankst du ihr also?«
»Keine Ahnung, wovon du redest«, sagte ich.
»Wenn du tatsächlich die Sprache der Steine verstehst, bist du gefährlich. Zu gefährlich. Aber ich will dir einen Handel vorschlagen, Vetter«, sagte Gullkin und kehrte mir den Rücken zu.
Dann drehte er unvermittelt den Kopf und blickte mich wieder aus seinen kalten Augen an.
»Wenn du mir sagst, wo sich die Blue Volcanoes verstecken, werde ich dein Leben schonen und dafür sorgen, dass du sicher in deine Menschenwelt zurückgebracht wirst.«
»Nichts zu machen«, sagte ich finster.
Gullkin ruckte herrisch mit dem Kinn, da griff einer der Möwenkrieger in seine goldene Rüstung und brachte ein Pergament aus Seehundhaut zum Vorschein. Als er es entrollte, erkannte ich darauf die Landkarte von Langjoskull, plastisch gestaltet aus Blattgold auf tiefblauem Grund. Ich sah das Land geteilt in Licht und Dunkel mit der Fel-Stadt und dem blau schimmernden Vulkan. Die Worte, die danebenstanden, konnte ich nicht lesen, aber an der Stelle, die ich als das Land der Heiligen Eiche kennengelernt hatte, sah ich eine kunstvoll gezeichnete Eiche.
Ich merkte rasch, dass, was immer ich auf dieser Karte anschaute, lebendig wurde, sodass Gullkin also genau wusste, wohin ich geschaut hatte. Ich durfte nicht auf die Heilige Eiche schauen, aber ich durfte auch nicht nicht hinschauen. Gullkin packte mich am Kragen und stieß mich mit der Nase auf die Landkarte. Mit rasiermesserscharfer Stimme zischte er mir ins Ohr: »Du schaust jetzt auf den Ort, an den sie dich gebracht haben! Schau einfach nur hin. Du brauchst nicht mal was zu sagen.«
Aber ich machte die Augen fest zu. Gullkin knurrte böse, und ich spürte, wie sich seine Finger in spitze Krallen verwandelten, die sich langsam in meinen Hals bohrten. Blut lief mir ins Gesicht, ich hörte es auf die Karte unter meinem Kopf tropfen.
»Eine unglaubliche Niederträchtigkeit!«, brummte Gullkin, und ich dachte schon, er würde mich auf der Stelle umbringen. Stattdessen stieß er mich mit voller Wucht gegen die Wand. Es dauerte eine Weile, bevor ich wieder atmen konnte. Gullkins Krallen hatten an verschiedenen Stellen an meinem Hals tiefe Wunden hinterlassen.
»Ich werde dir gar nichts sagen! Nie!«, rief ich.
»Dann wirst du sterben«, zischte er.
»Das kümmert mich nicht. Ich habe in wenigen Tagen hundert Leben gelebt.«
Gullkin ließ wieder einen Schrei los und dieses Mal konnten sich nicht einmal seine Möwenkrieger auf den Beinen halten. Sein Kreischen hatte die Wucht einer Explosion und ließ sekundenlang die Wände vibrieren. Für einen Moment presste es mich geradezu an die Wand.
»Meine Macht ist unumschränkt!«, schrie Gullkin in das Echo. »Du wirst getötet, und dann wird jeder begreifen, dass diese Rebellion niemals erfolgreich sein kann!«
Ich lag inzwischen auf dem Boden, er ragte über mir auf, seine Füße zu beiden Seiten meiner Knie. Mit aufgerissenen Augen und blutverschmiertem Gesicht sah ich zu ihm auf.
»Ich bedaure nur«, sagte ich, »dass ich nicht erleben werde, wie Langjoskull von deiner Tyrannei befreit wird!«
Da fegte er mich mit einer einzigen kraftvollen Armbewegung bis an das vergitterte Fenster in der gegenüberliegenden Mauer. Ich weiß nur noch, dass mein Kopf gegen Stein knallte und dass ich einen Lichtblitz sah, bevor zum dritten Mal alles um mich schwarz wurde.
Als ich wieder zu mir kam, stand ich gefesselt auf der Ladefläche eines zweirädrigen Karrens, der sich vom Palast entfernte. Wir fuhren auf die Fel-Stadt zu, eskortiert von einer Schwadron Möwenkrieger.
Als sich der von zwei schwarzen Islandponys gezogene Karren dem Marktplatz näherte, zerrten Gullkins Soldaten Verkaufsstände zur Seite oder kippten sie um. Scharenweise wurden Fel und Thrulls von den Wachen zurückgedrängt, während andere, herbeizitiert von einem königlichen Erlass, aus den unterschiedlichsten Richtungen angelaufen kamen. Von meinem Platz auf dem Karren konnte ich über die ganze helle Seite bis weit hinein in die dunkle sehen.
Hunderte von Einwohnern kämpften um die besten Plätze, manche lachten, andere flüsterten und machten ernste Gesichter.
Offenbar kamen viele, um meinen Tod zu feiern, aber weit mehr schienen hier zu sein, um mich zu betrauern. Ich sah, wie in vielen der oberen Räume Fensterläden von Fel oder ihren Thrull-Dienern geschlossen wurden und wie sie mir freundliche und
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