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Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Knight
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konnte, zeigte Gullkin auf mich und rief: »Dieser Junge hier erhebt den Anspruch, ein Nachkomme unseres Großen Königs Will Wolfkin zu sein. Was für eine stolze Behauptung!«
    Plötzlich plusterte sich Gullkin auf und ließ einen Schrei hören. Durch die Menge der Zuschauer fegte eine Sturmwelle, die Hüte von Köpfen und Rauchschwaden aus Pfeifen riss. Kinder fingen vor Schreck zu weinen an. Die Menge wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Gullkin drehte den Hals, seine gelben Augen glitzerten.
    »Das war der Schrei eines Fel von echtem königlichem Geblüt!«, rief er, während das Echo seines Schreies allmählich verebbte. »Nun wollen wir die Stimme dieses Menschen hören, um feststellen zu können, ob eine Familienähnlichkeit besteht.«
    Ich sah die funkelnden Blicke der Bevölkerung auf mich gerichtet.
    »Na los, sprich!«, sagte Gullkin. Ich spürte, wie ich rot wurde. Meine Zunge war stumm und schwer wie damals, als ich noch im Rollstuhl saß. Ungeduldiges Raunen ging durch die Menge und einige begannen, mich zu verhöhnen.
    » Mensch ! Erzähl uns in deinen Worten, warum du in unsere Welt gekommen bist«, bohrte Gullkin.
    »Ich … ich bin …« Meine Stimme klang schwach und piepsig. »Man hat mich gegen meinen Willen hierhergebracht.«
    Ungläubigkeit schlug mir entgegen. Ich suchte nach einem Gesicht, das ich kannte, aber da war nicht ein einziges. Wo blieben die Blue Volcanoes? Wo waren Doktor Felman und Arthur und Earl Hawkin? Wo war Emma?
    »Gegen deinen Willen?«, sagte Gullkin. »Wie kommt es dann, dass man dich mit einem Rebellenschwert in der Hand festgenommen hat? Und dass du einen Kampf mit den königlichen Leibwächtern vom Zaun gebrochen hast?«
    Wieder versuchte ich zu sprechen, aber kein Wort kam über meine Lippen.
    »Die Wahrheit ist, dass du ein Lügner bist, Mensch !«, sagte Gullkin. »Du bist kein Nachkomme von Will Wolfkin, sondern ein Spion, der es auf unsere magischen Kenntnisse abgesehen hat.«
    Plötzlich zog Gullkin eine Peitsche aus seiner Rüstung. An ihrem Griff waren drei Peitschenschnüre befestigt und jede endete in einem Schlangenkopf. Sie fuhren schnalzend durch die Luft, als Gullkin auf meinen Hals einschlug. Meine Haut brannte wie Feuer und fing an zu bluten.
    »Sieht das wie königliches Blut aus?«, höhnte Gullkin. »Oder sieht es aus wie das Blut eines Spions?«
    Während die Peitschenhiebe auf mich niederprasselten, sah ich, wie mehrere Thrulls spontan einen Schritt auf mich zumachten.
    Es war, als spürten sie die Schläge selber. Ihre mitfühlenden Blicke gaben mir Kraft.
    »Gullkin hat euch in Sklaven und Herren unterteilt«, sagte ich schließlich. Meine Stimme war wie aus heiterem Himmel zurückgekommen. »Aber ihr müsstet alle frei sein und so leben dürfen wie ihr …«
    Gullkin brach in schallendes Gelächter aus. »Habt ihr dieses Stimmchen gehört? Dieses jämmerliche Gequake? Sprich lauter, Junge, wir können dich nicht verstehen!«
    Ich schluckte schwer und versuchte zu schreien, aber wieder kam kein Laut aus meinem Mund. In beiden Lagern begannen nun einzelne Zuschauer zu lachen. Gullkin stolzierte auf mich zu.
    »Wie kommt ausgerechnet ein Mensch dazu – diese verlogene Kreatur – anzunehmen, er habe das Recht zu erklären, er selbst sei besser als einer von euch? Oder gar als ihr alle zusammen?«
    Wieder tobte die Menge, es war eine Mischung aus Lachen und Zorn. Jetzt fühlte ich mich genau wie damals, als ich in meinem Rollstuhl saß und mir wie ein Monster vorkam, eine Kuriosität – und in diesem Moment klickte etwas in meinem Kopf. Ich wurde plötzlich von einer Erinnerung geblendet, von einer derart lebhaften Erinnerung, dass sie mir überdeutlich vor Augen stand. Sie ergriff ganz und gar Besitz von mir und auf einmal sah ich auf den Gesichtern der Menge die Bilder von damals.
    Als ich ungefähr sechs Jahre war, machte Schwester Mary einen Ausflug mit mir. Tagelang hatte sie alles geplant. Sie packte Proviant ein, rollte Decken zusammen, kaufte einen Regenschirm, falls es regnen würde. Am angesetzten Tag brachen wir dann morgens zu unserem großen Abenteuer auf.
    Bis zum Stadtpark, dem sogenannten Kirschbaumwäldchen, waren es ungefähr anderthalb Kilometer.
    Es war ein wunderschöner Sommertag. Die großen Eichen und Kastanien standen üppig im Laub, der Rasen war frisch gemäht und der Duft des Grasschnitts hing noch in der Luft.
    Es war großartig.
    Ich war in meinem Leben kaum aus dem Kloster hinausgekommen, der Park aber war ein

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