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Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Knight
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halten.
    In den weicheren Sandstein hatte man kleine Kammern und Kerker gehauen, Granitplatten bildeten Dächer und Fußböden. Ich schätzte die ganze Sandsteinklippe auf etwa siebzig Meter Höhe und die darin eingelassenen – ausnahmslos mit goldenen Gitterstäben versehenen – Gefängniszellen auf vielleicht tausend. Gullkins Wachposten flogen jetzt in goldene Wachkästen, wo sie ihre Positionen einnahmen. Mich ließen sie einfach in einen düsteren Hof hinter hohen Granitmauern fallen und der harte Aufprall musste mir wieder das Bewusstsein geraubt haben.
    Jedenfalls befand ich mich, als ich erwachte, in einem großen Kerker aus Sandstein. Die Seile, mit denen ich gefesselt war, hatte man zerschnitten. Wasser tropfte vom Granitdach herab, und ich schaffte es, mich unter eine gleichmäßig tropfende Stelle zu schleppen, um mir den Staub vom Mund zu waschen. Die Fesseln hatten sich tief ins Fleisch geschnitten, und es tat weh, aber dieser Schmerz wog längst nicht so schwer wie das Gefühl, nun wirklich ganz allein zu sein.
    Ich blickte durch die goldenen Gitterstäbe über die Palastanlage. Schnurgerade dahinfließende Lavaströme strahlten ein angenehmes gelbes Licht aus. Mit Sicherheit wusste ich im Augenblick nur, dass ich jetzt auch in dieser Welt ein Gefangener war – genau wie ich es in der alten gewesen war. Vermisste ich mein früheres Leben? Wenigstens hatte ich dort die Freundlichkeit von Schwester Mary gespürt, und dort waren Look und Leave, die ich beobachten konnte. Hier gab es nur schreiende Möwen. Um meine düstere Stimmung zu vertreiben, ging ich in meiner Zelle auf und ab und spürte dabei die Kraft in meinen Beinen. Ich strich mit der Hand über die rauen Wände, nur um etwas zu fühlen.
    Schmerzen zu fühlen ist immer noch besser, als überhaupt nichts zu fühlen. Schließlich legte ich mich auf den Boden, um zu schlafen.

    Ich wachte auf, weil mich eine Speerspitze in den Rücken stieß. Als ich die Augen aufschlug, sah ich Helva Gullkin über mir stehen. Die drei Krieger in seiner Begleitung schauten mich blinzelnd und mit auf die Seite gelegten Köpfen an, als ich mich aufsetzte, steif von der Nacht auf dem harten Steinboden.
    Gullkin, der von Kopf bis Fuß in einer goldenen Rüstung steckte, stand breitbeinig da, die Hände in die Hüften gestemmt. Sein Helm hatte einen vorspringenden Gesichtsschutz aus Gold und bedeckte seine Nase. Seine gelben Augen spähten darunter hervor.
    »Du hast versagt, Vetter«, sagte er.
    »Ich bin nicht dein Vetter!«, antwortete ich und hielt dabei die Handfläche unter einen Wassertropfen, der gerade wieder von der Decke fiel. Ich sog ihn auf.
    »In deinen Adern fließt das Blut von Will Wolfkin«, sagte Helva. »Aber der große Wolfkin würde sich kein Scheitern erlauben, in keinem Punkt, niemals! Und jetzt schau dich an. Ein Gefangener.«
    »Sag mir einfach, was du mit mir vorhast«, sagte ich so gelassen wie möglich.
    Gullkin neigte den Kopf bis auf die Schulter, dann riss er den Mund auf und stieß einen seiner gellenden Schreie aus. So überwältigend war das Ausmaß dieses Schreies, dass ich erst gegen die Zellenwand und dann zu Boden geschleudert wurde und eine Weile wie taub war.
    Gullkin starrte mich mit seinen gelben Möwenaugen an, die jetzt schnell blinzelten. Mit der Spitze seines Stiefels hob er mein Kinn an.
    »Sag mir, wo sich die Blue Volcanoes verstecken!«
    »Die Blue was ?«, tat ich ahnungslos und versuchte, Zeit zu gewinnen. Auf ein Zeichen von Gullkin zerrte mich einer seiner Krieger brutal auf die Füße und presste mich gegen die Mauer. Er legte mir eine Klinge an die Kehle.
    »Erzähl mir von dem Mädchen!«, befahl Gullkin.
    »Welches Mädchen?«
    »Das Mädchen, das erfolgreich war, wo du versagt hast.«
    Plötzlich dehnte und streckte sich das Visier von Gullkins Helm wieder und wurde zu einem gelben Möwenschnabel. Ich fürchtete bereits einen weiteren markerschütternden Schrei, doch stattdessen schüttelte er nur heftig den Kopf, um seiner Wut Herr zu werden. Dann nahm er schweigend wieder seine Fel-Gestalt an.
    »Ich habe erfahren, dass du eine Stimme gehört hast, Vetter.«
    »Was für eine Stimme?«
    »Eine Stimme, die von den Steinen kam. Sie hat von Verrat gesprochen.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich habe meine Hüter. Von den Blättern und Bäumen erfahren sie so allerhand. Du hast also eine Stimme von den Steinen gehört. Die Stimme hat gesagt, dass deine kleine Freundin dich verraten wird. Und genauso ist es nun

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