Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Knight
Vom Netzwerk:
Ort der Farben und Geräusche, der Hunde und Kinder. Schwester Mary hinter meinem Rollstuhl rannte beinahe, schob mich, so schnell es ihre steckendünnen Beine erlaubten, und schwor noch nach Jahren, dass ich gelächelt hätte – obwohl das unmöglich war. So sausten wir durch den Park, und wenn wir gekonnt hätten, wären wir geflogen.
    Aber unsere ausgelassene Jagd auf dem schnurgeraden Weg neben den Tennisplätzen erregte die Aufmerksamkeit einiger älterer Kinder, die gerade dabei waren, eine von jüngeren Kindern selbst gebaute Hütte zu zerstören, einfach nur zu ihrem abartigen Vergnügen. Zwei der Jungen erkannte ich als Schüler, die erst vor Kurzem die Klosterschule verlassen hatten. Offenbar langweilten sie sich, und als ihre Langeweile durch den Auftritt einer ehemaligen Lehrerin und eines armen, kleinen Krüppels im Rollstuhl unterbrochen wurde, konnten sie der Verlockung nicht widerstehen.
    Sie begannen, uns zu verfolgen. Als Schwester Mary das merkte, blieb sie kurz stehen, machte kehrt und ging dann in normalem Tempo auf sie zu. Die Jungen versammelten sich um meinen Rollstuhl, schnitten alberne Grimassen und gaben idiotische Geräusche von sich.
    Schwester Mary versuchte, sie zu vertreiben, aber das war aussichtslos. Einer der Jungen, der größte, frechste und dümmste von ihnen, nannte mich »Nuckelbaby« und fing an, mich mit den Fingern im Gesicht zu kitzeln. Daraufhin zupften auch die anderen an mir herum und zerrten mir die Socken von den Füßen. Es waren die Socken, die Schwester Mary mir gestrickt hatte. Die Jungen schleuderten sie hoch in die Bäume.
    Ich hatte das Gefühl gehabt, dass meine Wut das Universum füllte, aber rühren konnte ich mich nicht. Mein Zorn staute sich auf wie Dampf in einem Kolben. Schwester Mary hatte zu schreien angefangen, während meine geballte Wut immer mehr anschwoll. Ich hätte Eisenträger verdrehen können.
    Wenn solche Wut einen Körper erfüllt, der sie nicht ausdrücken kann, ist das eine Qual, für die es keine menschlichen Worte gibt. Doch wie es das Glück oder das Schicksal wollte, sah ich ausgerechnet in diesem Moment einen Hund.
    Es war ein Husky, ein großes Tier mit gefährlichen Zähnen und einem riesigen Kopf. Sein Besitzer warf Stöcke, die der Hund apportieren sollte, und der Husky rannte knurrend über den Parkweg und wirbelte Staubwolken auf. Ich konnte ihn nur über die Schulter eines meiner Peiniger sehen, beschloss aber sofort mit der naiven Logik eines kleinen Kindes, meine unerträgliche Wut auf diesen Hund zu übertragen. Mit festem Blick sah ich das Tier an, versetzte meine Wut durch stumme Willenskraft in den Hund und forderte ihn auf, mir die Jungen vom Hals zu schaffen. Aber es war mehr als nur ein Wunsch oder ein Befehl. Es war noch etwas anderes.
    Und tatsächlich liefen die Jungen auseinander!
    Der Hund war plötzlich mitten unter ihnen, zähnefletschend, knurrend und offenbar mit der gleichen Wut, wie ich sie empfand. Er packte den größten Jungen am Arm und riss ihn zu Boden. Dann stürzte er sich auf einen anderen, brachte ihn zu Fall und drehte sich wie ein tobender Wirbelwind, um einem der Idioten ein Loch in die Jeans zu beißen. Den Jungen fielen fast die Augen aus den Köpfen, ich dagegen jauchzte innerlich vor Freude und Zorn. Es dauerte nicht lange, da liefen sie endgültig davon. Schwester Mary lag schreiend auf dem Rücken, und der Hundebesitzer mühte sich ab, sein Tier an die Leine zu legen.
    »Es tut mir sehr leid«, sagte er zu Schwester Mary, während sie sich aufrappelte. »Das hat er wirklich noch nie gemacht!« Anscheinend dachte der Mann, sein Hund habe mich angegriffen, aber Schwester Mary zögerte nicht, ihn aufzuklären, und meinte, vielleicht sei gar ein Engel in den Hund gefahren und habe ihm eingegeben, Gottes Werk zu vollbringen.
    Ich allein wusste, dass es kein Engel gewesen war, sondern ich selbst. Emma hatte recht gehabt. In mir lag tatsächlich die Erinnerung an einen Gestaltenwandel. Auch wenn sich damals mein physischer Körper nicht verändert hatte: Ich hatte die Erfahrung gemacht, wie man sich im Körper eines anderen Lebewesens fühlte.
    Diese Erinnerung an den Vorfall im Park überkam mich im Bruchteil einer Sekunde. Und nun, als ich vor der lachenden Menge der Fel und Thrulls stand, empfand ich zum ersten Mal die gleiche heftige Wut wie damals. Wieder spürte ich diesen Klick im Kopf, es war wie ein Ruck, als ob sich ein gewaltiger Felsblock von der Stelle bewegt.
    Während ich noch dem

Weitere Kostenlose Bücher