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Das Vermächtnis von Erdsee

Das Vermächtnis von Erdsee

Titel: Das Vermächtnis von Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. Leguin
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von seiner Gehirnerschütterung erholte, ob seine ausgerenkte Schulter heilte und um mit ihm zu reden. Er war, soweit Otter sehen konnte, gutmütig und ehrlich. »Wenn du nicht für uns arbeiten willst, dann bringen sie dich um«, sagte er. »Losen kann einen Kerl wie dich nicht frei herumlaufen lassen. Du solltest besser in seine Dienste treten, solange er dich nehmen will.«
    »Ich kann nicht.«
    Für Otter war das die Feststellung einer bedauerlichen Tatsache, kein moralisches Urteil. Hund betrachtete ihn mit Anerkennung. Bei seinem Leben mit dem Piratenkönig hatte er genug von Aufschneiderei und Drohungen, von Aufschneidern und Buhmännern.
    »Worin bist du am besten?«
    Otter antwortete nur widerwillig. Er musste mit Hund auskommen, zu vertrauen brauchte er ihm nicht. »Gestaltwandel«, murmelte er schließlich.
    »Gestalt annehmen?«
    »Nein, bloß Tricks. Ein Blatt in ein Goldstück verwandeln. Diese Dinge.«
    Zu jener Zeit gab es noch keine festen Namen für die verschiedenen Arten und Künste der Magie und auch die Beziehungen zwischen den einzelnen Künsten waren nicht klar.
    Es gab - wie die weisen Männer von Rok später gesagt hätten - kein System in ihrem Wissen. Doch Hund wusste ziemlich sicher, dass sein Gefangener seine Talente verbarg.
    »Du kannst also die eigene Form nicht verwandeln, auch nicht zum Schein?«
    Otter zuckte mit den Achseln.
    Lügen fiel ihm schwer. Er dachte, er sei ungeschickt, weil er keine Übung darin besaß. Hund wusste es besser. Er wusste, dass die Magie selbst sich nicht mit der Unwahrheit verträgt. Wahrsagerei, Taschenspielertricks und Totenbeschwörung sind Zerrbilder der Magie, sie verhalten sich dazu wie Glas zum Diamanten, wie Messing zum Gold. Sie sind Betrügerei und auf diesem
    Boden gedeiht die Lüge. Die wahre Kunst der Magie jedoch, obwohl sie zu falschen Zwecken missbraucht werden kann, hat mit dem Wirklichen zu tun, und die Worte, mit denen sie arbeitet, sind die Worte der Wahrheit. Daher fällt es echten Magiern schwer, über ihr Können zu lügen. In ihrem Herzen wissen sie, dass die Lüge, einmal ausgesprochen, die Welt verändern kann.
    Hund hatte Mitleid mit ihm. »Weißt du, wenn Gelluk dich ausfragen würde, er hätte alles, was du weißt, in ein, zwei Worten aus dir herausgebracht, und deinen Verstand gleich mit. Ich habe gesehen, was übrig bleibt, wenn das alte Bleichgesicht ein Verhör führt. Sag mir, kannst du mit dem Wind umgehen?«
    Otter zögerte und antwortete: »Ja.«
    »Hast du einen Beutel?«
    Wettermacher tragen gewöhnlich einen Lederbeutel bei sich, in dem sie die Winde verwahren und den sie aufschnüren, um einen günstigen Wind herauszulassen oder einen widrigen einzufangen. Vielleicht war es ja nichts als Zurschaustellung, aber jeder Wettermacher hatte einen Beutel, einen großen Sack oder eine kleine Tasche bei sich.
    »Zu Hause«, sagte Otter. Das war keine Lüge. Er hatte einen Beutel zu Hause. Er verwahrte darin die Werkzeuge für die Feinarbeit und den Blasenhobel. Und im Großen und Ganzen log er auch nicht, was den Wind anging. Mehrmals war es ihm gelungen, ein wenig magischen Wind in die Segel eines Bootes zu lenken, obwohl er keine Ahnung hatte, wie man einen Sturm bekämpft oder beherrscht, was ein echter Wettermacher können muss. Doch er wollte lieber in einem Sturm umkommen als in diesem Loch ermordet werden.
    »Aber du bist nicht bereit, dieses Können im Dienst des Königs einzusetzen?«
    »Es gibt keinen König in der Erdsee«, sagte der junge Mann fest und aufrecht.
    »Dann also im Dienst meines Herrn«, berichtigte sich Hund geduldig.
    »Nein«, sagte Otter und zögerte. Er fühlte, er schuldete diesem Mann eine Erklärung. »Siehst du, es ist nicht so sehr Wollen als Können. Ich hatte mir überlegt, Stöpsel in die Planken der Galeere einzubauen, dicht beim Kiel - du weißt, was ich meine - Stöpsel? Sie sprängen nach und nach heraus, wenn das Schiff in schweren Seegang kommt und das Holz zu arbeiten anfängt.« Hund nickte. »Aber ich konnte es nicht. Ich bin Bootsbauer. Ich kann kein Schiff bauen, das untergeht. Mit Männern an Bord. Meine Hände machten nicht mit. Daher habe ich getan, was ich konnte. Ich habe es so gebaut, dass es seinen eigenen Kurs fährt. Nicht nach seinem Willen.«
    Hund lächelte. »Sie haben auch noch nicht lösen können, was du da gewirkt hast«, sagte er. »Gestern kroch das alte Bleichgesicht knurrend und schimpfend überall herum und befahl, das Steuerrad auszuwechseln.« Er

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