Das Vermächtnis von Thrandor - Die silberne Klinge
erklärte Calvyn, der sich sichtlich unwohl fühlte.
»Ein Ritter! Du bist Ritter des Königreichs?« Jennas Stimme wechselte in diesem einen Satz von ungläubigem Staunen zu hoffnungslosem Bedauern. »Aber das bedeutet …«
»Nein!«, unterbrach sie Calvyn bestimmt. »Du darfst so etwas nicht einmal denken, Jenna. Es wäre viel schwieriger gewesen, wenn ich Korporal geblieben wäre und du eine einfache Soldatin. Beziehungen zwischen verschiedenen Rängen werden meist argwöhnisch beäugt, aber als Ritter bin ich mein eigener Herr. Ich kann jede Frau umwerben, die mir
gefällt, und auch wenn diese Dame Gefreite in einem Heer sein sollte, wird niemand die Wahl eines Ritters anfechten wollen.«
Lomand war stehen geblieben, um auf die beiden zu warten, ließ aber nicht zu, dass sich eine längere Diskussion zwischen ihnen entspann.
»Nun kommt. Ihr beide habt anscheinend viel zu bereden, aber dafür ist jetzt keine Zeit. Auf dem Weg nach Mantor habt ihr genug Zeit, euch auszusprechen. Selbst wenn wir die Pferde ordentlich antreiben, dauert es bestimmt mehrere Wochen, bis wir die Stadt erreichen. Ihr könnt euch also unterwegs nach Herzenslust umwerben und unterhalten«, erklärte er mit einem belustigten Grinsen.
Jenna sah aus, als würde sie keinen Schritt mehr machen. Calvyn spürte auch ohne die Hilfe von Magie oder Zauberei, wie die Gedanken in ihrem Kopf rasten. Dann nickte sie zögerlich und Calvyn streckte den Arm nach ihr aus. Schüchtern lächelnd legte sie ihre Hand in seine, und dann liefen sie schnell weiter, um Vorkehrungen für die lange Reise zu treffen.
»Tot? Was meinst du damit, er ist tot?«, bestürmte Vallaine den Unglücksraben von einem Diener.
»Wie ich gesagt habe, Eure Majestät. Kommandant Chorain wurde tot auf der Straße gefunden. Es gibt keine offensichtliche Todesursache. Wahrscheinlich hat sein Herz versagt, Eure Majestät. Die Ärzte meinen, das sei kein so unwahrscheinlicher Vorfall, selbst bei gesunden und kräftigen Männern.«
»Kein so unwahrscheinlicher Vorfall! Herzversagen? Willst du mich für dumm verkaufen?«, wütete Vallaine und hieb mit der rechten Faust in seine linke Handfläche. »Wurde untersucht, ob er vergiftet wurde?«
»Ich … ich weiß nicht, Eure Majestät. Ich bin nur ein Diener, der schlechte Nachrichten überbringt. Ich kenne die Methoden und die Möglichkeiten der Ärzte nicht. Aber falls Ihr es wünscht, will ich gern noch einmal nachfragen, Eure Majestät.«
»Ja! Ja! Geh schon!«, schnauzte Vallaine.
Der Diener konnte gar nicht schnell genug forteilen. Er rannte buchstäblich aus dem Zimmer und die Tür fiel mit einem wenig schicklichen lauten Knall hinter ihm zu.
Der Hohe Lord des Inneren Auges nahm diese Unhöflichkeit jedoch gar nicht wahr. Ärgerlich grübelnd schritt er über den großen, schön gewebten Teppich. Die Dinge entwickelten sich ganz und gar nicht so, wie er es erwartet hatte. Zwar ahnte noch niemand, dass er ein Betrüger war – außer vielleicht Femke -, aber das war kaum ein Trost angesichts seiner problematischen Lage. Vallaine hatte geahnt, dass es schwierig werden würde, den Unmut der Bevölkerung nach der Katastrophe von Thrandor zu besänftigen. Doch er hatte nicht damit gerechnet, dass er das Spionagenetz des Kaisers nicht in vollem Umfang würde nützen können, da es so viele offene Fragen gab, die er nicht stellen konnte, ohne sich selbst zu verraten. Und nun war ihm die Möglichkeit, sich einen Kommandanten zunutze zu machen, den er bereits fest in der Hand gehabt hatte, ebenfalls genommen worden. Da Vallaine also keinen Zugang zu Informationen und nur wenige treue Verbündete vor Ort hatte, stand seine Position als Kaiser von Shandar auf gefährlich wackeligen Füßen. Doch einen möglichen Verbündeten gab es noch: den thrandorischen Kämpfer. Wenn dieser Mann sich dem Willen des Zauberlords beugte, würden seine größten Probleme rasch und ohne viel Aufhebens gelöst.
»Ich werde mich nach den nächsten Spielen mit ihm unterhalten«, sagte sich Vallaine, immer noch wütend durch den Raum schreitend. Plötzlich blieb er stehen, weil ihm eine Idee
kam. Langsam hob er die linke Hand auf Augenhöhe und betrachtete die Ringe an seinen Fingern. Die meisten hatten dem kürzlich verstorbenen Herrscher gehört – die meisten, aber nicht alle. Einer der Ringe war schon sehr lange in Vallaines Besitz. Er war weder reich verziert noch war er besonders wertvoll, aber er war immerhin aus Gold. Ein einfacher Goldreif
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