Das verplante Paradies
einem Tisch am Fenster mit und sahen zu, wie sich der Staub um und auf das Auto legte.
„Der bringt das Hirn ein bißchen zum Schwingen“, sagte Zak.
„Solange er sich nicht an meinen Schädelwänden zu Tode rackert“, sagte Henny.
Sie schwiegen gemeinsam.
„Merkwürdig, daß dieser Latimer uns schreibt“, sag te Zak.
„Das dachte ich auch gerade.“
„Ich meine, wir haben schließlich keinerlei Beziehung zu dieser Sache.“
„Genau.“
„Glaubst du, daß er wirklich unsere Meinung hören will?“
„Wenn es so ist, wäre es das erste Mal.“
Zak nahm einen Zug aus dem Glase und zog ein Gesicht. „Also was haben wir dann hier zu suchen?“
„Der ‚Mann auf der Schaukel’. Hört sich verlockend an, nicht?“
„Sehr verführerisch, in der Tat. Trotzdem würde ich lieber ein Mädchen finden, das mich verführt.“
Henny spülte seinen Drink etwas zu schnell herunter. „Du weißt doch, was wir für Mädchen sind. So etwas wie – Gift. Wir werden allmählich zu alt, um Chamäleons zu spielen. Sie müssen uns nehmen, wie wir sind … mit unseren altfränkischen Höflichkeiten und alledem. Wo findet man schon so ein Mädchen?“
Zak füllte sein Glas erneut, freilich ohne besondere Begeisterung. Er und Henny suchten die Tugend. Sie suchten danach, weil sie so schwer zu finden war. Die Aufgabe sollte einen Anstrich von Donquichotterie haben, aber jeder von ihnen hatte einzeln und in seltenen, geheimen Momenten zu zweifeln begonnen, ob ihr Streben nach dem Unerreichbaren nicht über ihrer beider Kräfte ging.
Sie hatten Teilerfolge gehabt, die aber nur um so schmerzlicher waren, je näher sie an der Perfektion lagen. Aber irgendwie ging immer irgend etwas schief.
Aus diesem Grunde teilten sie dieses Leben, diese Flasche, trotz ihres Alters von mehr als dreißig Jahren. Oft genug hatte man sie durch Campus-Interpretationen ihrer Freundschaft gedemütigt. In Wahrheit war ihre Beziehung vollständig normal und gänzlich gesund … allerdings meistens traurig –
„Hier geht es nicht nur um ein Gegengutachten“, sagte Henny. „Latimer will sehen, wohin wir springen. Aber warum? Und warum gerade wir ?“
Sie überlegten immer noch, als sie nach San Luis Obispo hinunterkamen und an der Mojave-Wüste entlangfuhren.
Und als sie oberhalb von Point Concepcion und unterhalb eines gewissen Parks vorbeifuhren, in dem Simeon gerade schaukelte, waren sie immer noch nicht klüger.
„Ich habe euch noch nie etwas über mich erzählt“, sag te Simeon zu seinen Zuhörern.
„Ja, also ursprünglich stamme ich aus England. Das merkt man schon an meinem Akzent, ich weiß. Der Grund, weshalb ich hierhergekommen bin, ist einfach: weil ich es wollte. Es gab auch einige besondere Einladungen: Tony Bennett zum Beispiel, wenn er ‚San Francisco’ sang, oder John Steinbeck und Ed Ricketts in La Jolla und Liz Taylor und Richard Burton mit dem ‚Sandpiper’, und dann war ich neugierig auf Avram Davidson …
Und so weiter. Es war alles sehr nett und delikat. Ich wollte nicht Bananenschalen rauchen, Sped nehmen oder an einem West Coast Freak-out teilnehmen. Ich hab mich auch nicht für die Hell’s Angels gemeldet. Ich wollte nur mal sehen.
Außerdem gab es nichts, was mich hielt. Meine Mutter war gestorben. Mein Vater schien für jedes gute Wort, das er mir gab, ein Bestätigungsschreiben zu erwarten. Also sparte ich etwas Geld und kam hierher – dreitausend Meilen bis nach New York und weitere dreitausend Meilen, auf denen ich gemütlich durch Io wa und Illinois bummelte und all die geheimnisvollen Städtchen wiederfand, deren poetische Namen ich aus den Büchern von Ray Bradbury kannte.
Man kann es vielleicht eine sentimental journey nennen, wenn man ›Gefühl‹ durch ›Bewunderung‹ ersetzt. Ich habe mich übrigens selbst auch als Autor versucht … nein. Aber da muß ich weiter ausholen. Als ich gegen Ende der Pubertät damit anfing, habe ich allen Leuten erzählt, wenn ich bloß hinunter nach Südengland käme – nach Bournemouth, Christchurch oder Mudeford –, dann hätte ich die richtige Umgebung zum Schreiben. Also bin ich dorthin gegangen. Aber es geschah nichts. Ich habe bloß herumgesessen, die wunderschöne grüne Landschaft betrachtet und mir selbst immer wieder vorgesagt, was ich längst hätte wissen müssen.
Daß ein Schriftsteller seine eigene Umgebung schafft. Wenn er in dem Haus, in dem er geboren wur de, nicht schreiben kann, oder im Bus oder auf einer belebten Straße, dann
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