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Das verräterische Tonband

Das verräterische Tonband

Titel: Das verräterische Tonband Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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hundertfünfzig Dollar pro Woche verdienen und all diese Kleider
erben, die sie nur einmal anzieht ?«
    »Ich glaube, ihr französischen
Indianerinnen habt den Dreh raus«, pflichtete ich bei.
    »Wie wär’s, wenn wir zwei das
für uns behielten ?« schlug sie vor. »Ich möchte nicht,
daß die Faber wegen des Akzents desillusioniert wird .«
    »Es bleibt ein Stammesgeheimnis
zwischen uns beiden«, versprach ich.
    »Vielen Dank, mon ami .« Ihre Augen betrachteten
mich von oben bis unten in allen Details, als stehe ich als potentieller Käufer
in einem Gebrauchtwagengeschäft. »Na schön — wann immer Sie die Faber satt
haben sollten«, sagte sie mit kehliger Stimme, »werde
ich Sie mit Freuden in ein paar wirklich reizende Stammesrituale einführen .«
    Schwarzer Satin schimmerte und
bebte, als sie Anstalten traf, die Treppe hinabzugehen. »Viel Vergnügen!« Ein
leises lasterhaftes Kichern drang zu mir empor, als sie meinen Blicken
entschwand.
    Ich blieb einen Augenblick lang
vor der geschlossenen Tür stehen, holte tief Luft und klopfte. Nichts geschah.
Ich öffnete den einen Türflügel, trat ein und blieb dann plötzlich mit
geöffnetem Mund stehen. Eins war sicher — nicht einmal Marco Polo war auf all
seinen Reisen je so etwas vor Augen gekommen. Dies war das Hochzeitszimmer
aller Zeiten; ein riesiger Raum mit einem Plafond von doppelter Normalhöhe, was
ihm Palastdimensionen verlieh. Meine Füße sanken tief in den pulverblauen
Teppich, als ich langsam auf das thronartige Bett zuschritt, das den Ehrenplatz
in der Mitte des Raums einnahm und dessen gesteppter weißer Baldachin mit goldenen Viertelnoten — oder Achteln? — bestickt war, so daß das Ganze mehr
nach Jazz als nach Symphonie aussah.
    Es war ein Wahnsinnsbett. Ich
schätzte, daß Susanne Faber, wenn sie in seiner Mitte lag und gegen neun Uhr
morgens beschloß aufzustehen, zumindest bis drei Viertel zehn brauchte, um mit
den Füßen auf den Boden zu gelangen. Je länger ich das verdammte Ding
anstarrte, desto klarer wurde mir, daß es gar kein Bett, sondern eine
Weltanschauung war. Ich war nach wie vor in dumpfes Brüten versunken, als eine
weiche melodische Stimme aus dem Nichts zu mir herübergeschwebt kam und sachte
an meinem Ohrläppchen knabberte.
    »Rick, Honey — sind Sie’s ?«
    »Ja, ich bin’s«, rief ich
nervös. »Wo, zum Kuckuck, sind Sie denn ?«
    »Hier drinnen«, sagte die
Stimme mit liebkosendem Klang. »Sehen Sie die weiße Tür mit dem goldenen Satyr
darauf ?«
    Man konnte beides gar nicht
übersehen, soviel wurde mir gleich darauf klar, wenn man nicht bereits durch
eine weißgesteppte Weltanschauung hypnotisiert worden war. Ich strebte der Tür
mit dem vergoldeten Satyr in der Mitte zu, gab ihm einen Knuff in seine intime
Anatomie und sah zu, wie er sofort vor mir zurück wich, um den Blick auf eine
ganz neue Aussicht von üppiger Pracht freizugeben.
    Einen Augenblick lang glaubte
ich, in eine in vollem Schwung befindliche Orgie hineingestolpert zu sein und
vor der Wahl zu stehen, mich entweder zu entschuldigen oder mitzumachen. Aber
nachdem ich ein paarmal geblinzelt hatte, wurde mir klar, daß die Teilnehmer
völlig leblos und aus Gips waren. Es handelte sich nicht um eine Gruppe nackter Orgiasten an den Wänden, sondern lediglich um eine
Gruppe lebensgroßer Gipsstatuen temperamentvoller griechischer und römischer
Götter. Und, wenn ich es mir recht überlegte, wo sollten sie schon stehen als
um ein in die Mitte eines schwarzen Mosaikbodens eingelassenes römisches Bad?
    Eine Woge von Schaumbläschen
erhob sich in phantasievoll wolkigen Formationen über dieses eingelassene Bad,
und darüber war das lächelnde Gesicht einer blonden Tigerin zu erkennen, auf
deren Kopf sich eine pyramidenförmige Frisur auftürmte.
    »Hallo, Rick!« Sie kicherte.
»Sie sehen aus, als ob Sie gerade ein Gespenst gesehen haben .«
    »Ich habe das Gefühl, innerhalb
der letzten zwei Minuten überhaupt alles gesehen zu haben — und ich muß mich
erst innerlich ein wenig darauf einstellen«, sagte ich. »Beantworten Sie mir
bitte eine Frage, bevor ich geradewegs überschnappe: Warum müssen Sie, wenn Sie
ohnehin schon den ganzen Tag Aufnahmen in einem Schaumbad gedreht haben, ein
weiteres nehmen, wenn Sie nach Hause kommen ?«
    Die zum Hineinbeißen wie
geschaffenen Lippen teilten sich und entblößten die zum Ohrläppchenanknabbern wie geschaffenen Zähne. »Sie rühren dauernd
Rasiercreme hinein«, vertraute sie mir mit heiserer Stimme an.

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