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Das verschwundene Kind

Das verschwundene Kind

Titel: Das verschwundene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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Blaulicht aufs Dach setzte und davonraste.
    *
    Es war kurz nach neun, als Stephan das Auto mit blinkendem Signal auf der vielbefahrenen Straße abstellte. Wenige Sekunden später stand er vor einer sauber geputzten Glasflügeltür. Rechts und links an der Wand reihten sich unzählige Praxis- und Firmenschilder. Eine Werbefirma, eine Rechtsanwaltskanzlei, Psychotherapie, Homöopathie … Seine Blicke irrten über das Gewirr der Angebote. Endlich fand er, was er suchte. Gynäkologie. Schauder liefen ihm über den Rücken. In seiner persönlichen Skala standen Gynäkologen kurz nach Dr. Frankenstein. Mehrere Namen. Eine Gemeinschaftspraxis. Sechster Stock. Auch das noch. Auf der Straße gab es ein Hupkonzert wegen des sich bildenden Staus.
    Stephan hastete am Aufzug vorbei die Treppen hinauf. Keine Sekunde würde er jetzt noch auf etwas warten können. Er nahm gleich mehrere Stufen auf einmal. Sein Knie meldete sich schmerzhaft. Er ignorierte es und war nur noch getrieben von dem Gedanken, nicht zu spät zu kommen, obwohl er wusste, dass er das längst war. Wegen des kürzeren Weges hatte er vorhin sogar zum ersten Mal wieder den Weg über die Kaiserlei-Brücke gewählt. Wenn das kein schlechtes Omen war! Endlich stand er vor der Tür zur Praxis. Im Schnelldurchlauf spulten sich Bilder vor ihm ab, was ihn dort jetzt erwarten könnte. Maren in einem Behandlungszimmer, an einen dieser gruseligen Stühle geschnallt. Er, der hineinstürmte, den Ausweis zeigte. Und dann? Im Augenwinkel bemerkte er eine Bewegung. Er schaute zur Seite und sah ihre Silhouette vor der bodentiefen Fensterfront. Sie stand mit dem Rücken zu ihm und schaute hinaus in den grauen Himmel.
    Mit zwei Schritten war er bei ihr und berührte sie vorsichtig an der Schulter. Sie fuhr herum. Schrecklich sah sie aus. Wie ein Gespenst. Ihre Haut war teigig, die Augen rot gerändert und glasig.
    »Es tut mir so leid«, flüsterte er. Mehr Worte fand er nicht.
    Sie nickte. Aus ihren Augen lösten sich die Tränen.
    Er zog sie fest in die Arme.
Warum hast du mir das nicht gesagt,
wollte er fragen. Doch jetzt war keine Zeit für Vorwürfe.
Ich hätte gerne ein Kind mit dir gehabt.
Das durfte er erst recht nicht sagen.
Du hast mich da missverstanden.
Bloß nicht! Er entschied sich dafür, sie schweigend im Arm zu halten. Sein Herz hämmerte.
    »Hat Sybille dich geschickt?«, fragte Maren plötzlich. Er schreckte ein wenig zusammen und zögerte mit der Antwort. Maren löste sich aus seiner Umarmung und sah ihn an. Er nickte.
    »Diese blöde Kuh«, sagte sie. Dann glitt ein Lächeln über ihr Gesicht. »Diese liebe, blöde Kuh«, korrigierte sie. Ein wenig Röte stieg ihr dabei in die Wangen. Sie wischte sich mit einer nachlässigen Geste die Tränen aus den Augen. »Sie will mir helfen, hat sie gesagt. Wenn du nichts damit zu tun haben willst, will sie mir zur Seite stehen. Erst habe ich gedacht, das schaffe ich nicht, aber vorhin, als es ernst wurde, da wusste ich es auf einmal. Ich bin denen förmlich vom Stuhl gehüpft. Und dann habe ich erst einmal nur noch geheult. Nicht vor Kummer, sondern weil ich froh war, mich für dieses winzige Es entschieden zu haben.«
    Er schaute sie an, als sei sie eben erst vor ihm entstanden. »Willst du damit sagen, du hast nicht …?«, fragte er zaghaft.
    Sie schüttelte den Kopf. »Anfang der fünften Woche. Und es bleibt da drin, auch wenn du …«
    »Nicht«, unterbrach er sie und legte ihr den Zeigefinger auf die Lippen. Dann küsste er sie.
    *
    Heck schreckte vom Aktenstudium hoch, als Stephan ins Büro stürmte und in den Kleidern feuchte Herbstluft mitbrachte. Das hatte etwas von dem Elan, mit dem sonst eigentlich nur Hölzinger auftrat.
    »Du warst drei Stunden weg«, stellte Heck mit einem Blick auf die Wanduhr fest. Stephan nickte. In seinen Haaren hingen Nebeltröpfchen. Sein Gesicht war gerötet.
    »Wir waren spazieren. Dann habe ich ihr noch eingekauft. Jetzt hat sie sich hingelegt und schläft sich aus«, erklärte er.
    Heck sah Stephan besorgt an. »Du hast doch hoffentlich nichts getrunken?«
    Stephan schüttelte lächelnd den Kopf. Heck war noch nicht zufrieden.
    »Und das Kind?«, fragte er.
    »Kommt im Juli auf die Welt«, sagte Stephan.
    Heck sah erstaunt auf. Dann schlug er sich mit der flachen Hand an die Stirn und lachte. »Und alles ganz ohne Dr. Sauer & Co.?«
    »Ja, ganz ohne.« Stephan grinste.
    Heck streckte Stephan die Hand entgegen, und dieser schlug ein.
    »Gratuliere!«, dröhnte Heck. Dann

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