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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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auf einen Hocker. Mein Ende aller Tage ließ ich vorerst beiseite. Ich hoffte, dass Will und Mill dieses Plakat nie zu sehen kriegten. Mord in den Wolken, ihr neuestes Stück, barg schon genug apokalyptische Gefahren für uns.

4. KAPITEL
    Ich musste Mr Gumbrel in der Redaktion des Conservative sprechen, ging also den gleichen Weg wieder zurück, den ich gekommen war. Das Zeitungsbüro lag neben Sincells Laden.
    Vor dem Schaufenster von Souders Apotheke blieb ich wieder stehen, als ich das Eau de Toilette »Abend in Paris« und die ausgebleichten Handschuhe sah und ein Foto, das ich bisher noch nicht bemerkt hatte. Ganz unten in der Ecke stand es und zeigte einen traurig dreinblickenden Hund mit der Aufschrift: HABEN SIE MICH GESEHEN ? Er guckte so kläglich, dass ich mich fragte, ob er, als man das Foto machte, vielleicht schon wusste, dass er verloren gehen würde.
    Ich ging etwas rascher und bog um die Ecke auf die Second Street ein, wäre aber fast stehen geblieben, als ich an McCrorys Kramladen vorbeikam. Beim Blick durch die Glastür sah ich Miss Isabel Barnett bei den Schminksachen stehen. Ich überlegte, ob ich reingehen und ein Gespräch vom Zaun brechen sollte, wollte ihren Anfall von Kleptomanie jedoch nicht unterbrechen. Außerdem hätte sie sich sowieso schwer auf das Slade-Baby konzentrieren können, während sie Lippenstiftfarben gegeneinander abwog.
    Beim Conservative angekommen rannte ich, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die alte Eichentreppe hoch.
    »Emma!« Mr Gumbrel stand neben Suzie Whitelaws Schreibtisch und las gerade in ein paar Seiten.
    »Hallo, Mr Gumbrel.«
    Er schob sich die Brille auf die Stirn hoch und sagte: »Ich hoffe, du bringst mir die letzte Folge.«
    Damit meinte er natürlich »Die Tragödie vom Spirit Lake«, die Geschichte, mit der sich das Blatt in letzter Zeit sehr gut verkauft hatte und deren letzte Folge mich zum Thema hatte.
    Ich setzte meine Jammerlappenmiene auf und meinte traurig: »Tut mir wirklich leid. Ich bin beinahe fertig« – ich hatte beinahe noch gar nicht angefangen – »aber ich kriege einfach dieses letzte Stück mit der Schießerei nicht hin, und dann dachte ich: ›Das stimmt einfach nicht richtig.‹« Ernst runzelte ich die Stirn.
    »Was stimmt nicht richtig?«
    Ich hievte mich auf den Schreibtisch der Redakteurin hoch und überlegte mir, was bei der Schießerei vielleicht nicht ganz richtig stimmen könnte. »Hm, also …«
    Und dann kam es mir, und zwar nicht bloß als Ausrede dafür, dass ich meine Arbeit nicht gemacht hatte. »Vielleicht ist das, was in der Nacht damals passiert ist, vielleicht ist das bloß ein Teil der Geschichte. Vielleicht ist das gar nicht das Ende.«
    Mr Gumbrel legte seine Blätter beiseite. »Klär mich auf.«
    Man kann sich vorstellen, wie oft mich jemand bat, ihn aufzuklären. »Schauen Sie: Was mir passiert ist, ist Teil von etwas viel Größerem.« Es war einfach nur bescheuert von mir anzudeuten, dass es da noch etwas Größeres gab, wenn ich einmal die Gelegenheit hatte, im Rampenlicht zu stehen. Doch genau das tat ich. »Vergessen Sie nicht: Da ist auch noch Ben Queen.«
    »Hab ich nicht vergessen. Er kommt ja in deiner Geschichte vor. Er hat dir das Leben gerettet.«
    Ich nickte. »An Ben Queens Geschichte ist aber noch mehr dran. Seine Geschichte ist auch die von Rose Queen und von dem alten Mordfall. Das war vor zwanzig Jahren oder noch früher, damals gab es noch das Belle Rouen …« Ich versuchte, es französisch auszusprechen, aber dann fiel mir ein, wie sich Ree-Jane anhörte, und ich ließ es bleiben. »Belle Ruin. Erinnern Sie sich an das Baby von Morris Slade, das verschwunden ist?«
    »Selbstverständlich, Emma. Ich hatte da meine eigene Theorie, weißt du noch?«
    Tat ich, interessierte mich aber mehr für meine eigene. »Ich wette, es hat alles miteinander zu tun.« In meinem Kopf waren lauter Knallfrösche.
    Nachdenklich runzelte Mr Gumbrel die Stirn. »Du meinst also, die eigentliche Tragödie hat sich nicht am Spirit Lake abgespielt …«
    Ich schüttelte heftig den Kopf. »Nein. Ich meine, es bleibt die Tragödie vom Spirit Lake. Es ist bloß eben noch mehr. Es geht immer weiter. So wie bei den Griechen. Sie wissen schon, wie bei Medea.«
    Mr Gumbrel lachte. » Medea, das Musical ! Na, das war eine Aufführung. Dein Bruder ist ein wahres Genie …«
    »Schon, aber der hat mit meiner Geschichte nichts zu tun.« Auf keinen Fall wollte ich, dass das Gespräch sich auf das »Genie« meines

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