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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Donny brummte bloß. Ihn wurmte es immer noch, dass ich ihn damals aus dem Büro gelockt hatte (damit ich die Polizeiakten durchsehen konnte), indem ich ihm weisgemacht hatte, er hätte drüben auf der anderen Straßenseite, also im Rainbow Café, den Donut-Wettbewerb gewonnen. Es gab natürlich gar keinen Wettbewerb, doch er fiel drauf rein und ging weg, ohne das Büro abzuschließen. Da dürfe ich aber nich rein, sagte er. Nun ja.
    Donny schwenkte seinen Donut mit Schokostreuseln herum und quasselte irgendwas von einem »Verrückten«, der in der Stadt rumlief und auf die Leute einbrüllte.
    »Ich sag zu Sam, der gehört eingelocht, sag ich, von wegen Ruhestörung …«
    »Wer denn?«, erkundigte ich mich.
    Donny tat so, als wäre ich unsichtbar. »Ich sag: ›Sam, der Kerl is echt nervig, n-e-r-f-i-g …‹«
    »V-i-g«, sagte ich, mit Blick auf die Donutauslage.
    Er funkelte mich wütend an und biss von seinem Donut ab, während er sich ein Schimpfwort überlegte. »Du meinst wohl, du weißt alles, was?«
    »Nein. Ich weiß bloß, wie man ›nervig‹ buchstabiert.« Ich entschied mich für einen Donut mit bunten Streuseln. Schoko wäre mir lieber gewesen, doch ich wollte nicht dieselbe Sorte essen wie Donny.
    Weil Donny nichts einfiel, was er erwidern konnte, redete er weiter über den Verrückten. Während er den Rest von seinem Donut mampfte, sagte er: »Der Typ läuft da draußen rum und macht kleinen Kindern Angst, sag ich zu Sam …«
    »Mir nicht«, sagte ich, womit ich mich – damit bis zum ungewöhnlichen Äußersten gehend – unter einen Hut mit kleinen Kindern begab.
    »Ach, du-u-u-u … «, knurrte er und nahm seinen Becher mit Kaffee von der Theke neben der gläsernen Vitrine. An der Getränketheke standen Hocker aufgereiht, aber Donny wollte so tun, als sei er einfach viel zu beschäftigt, viel zu gefragt, als dass er Zeit zum Hinsetzen hätte.
    »Ich glaub nicht, dass der verrückt ist.« Wen verteidigte ich da eigentlich?, überlegte ich.
    »Du? Was weißt du denn? Du weißt ja nich mal, was das auf dem Schild bedeutet, das der rumträgt. Ha!«
    Ich hätte ganz einfach fragen können, wovon er eigentlich redete, doch wozu, wo ich es ihm doch abquetschen konnte, ohne dass er es spitzkriegte. Dass der »Verrückte« ein Schild trug, hatte ich ja bereits herausgefunden. Ich bat Wanda um den Donut mit bunten Streuseln. Während sie ihn aus der Vitrine holte, sagte ich zu Donny: »Ist doch sonnenklar, was es bedeutet!« Ich bedankte mich bei Wanda, nahm meinen Donut und musterte Donny mampfend.
    »Sonnenklar? Sonnenklar?« Er hatte sich dicht vor mir aufgerichtet, einen gemeinen Blick in den Eidechsenaugen, einen Daumen in den Gürtel gehakt, während die andere Hand mit der Kaffeetasse herumfuchtelte. »Na, dann willst du uns vielleicht verraten, was der Ausdruck ›aller Tage Ende‹ bedeutet?«
    Ich leckte ein paar Streusel von meinem Donut und guckte nachdenklich. »Zunächst mal ist es gar kein ›Ausdruck‹.« Das war gut, fand ich. Dadurch hörte es sich eher so an, als ob ich Bescheid wüsste, als wenn ich bloß rumeierte, um »aller Tage Ende« zu erklären, von dem ich auch keine Ahnung hatte, was es bedeutete. Und es war immer sicherer zu sagen, was etwas nicht war, als zu sagen, was es war. Weil ich ja keinen blassen Dunst hatte, was »aller Tage Ende« bedeutete. Nun, wenn ich den Kontext wüsste … Gab es bei Rudy’s oder in der Posamentierwarenhandlung einen Schlussverkauf? Wollte die Gemeinde den Verkauf von Alkoholika wieder legalisieren, und jetzt rannte ein alter Trottel herum, der was gegen das Trinken hatte, und beschrie »aller Tage Ende«? Eine Spirituosenhandlung direkt hier in La Porte würde Lola Davidow die Mühe ersparen, sich ihren Fusel aus dem Nachbarstaat beschaffen zu müssen. Für sie wäre es aller Tage Anfang.
    »Was meinst du mit: ›Es is gar kein Ausdruck‹?«
    Donny sollte mehr Perry Mason schauen. Anwälten, die noch grün hinter den Ohren waren, erzählte Perry immer, man soll einem Zeugen nur eine Frage stellen, wenn man die Antwort schon weiß. »Ich meine, ›aller Tage Ende‹ bedeutet das, was es besagt. Im Wortsinn.« Bevor er wieder fragen konnte, was das bedeutete, sagte ich: »Ich versteh gar nicht, wieso Sie den für gefährlich halten.«
    »Ach ja, na du mit all deinen neuesten Heldentaten, dass dir das Ende der Welt schnurz is, glaub ich gleich!«
    »Ziemlich.« Das bedeutete es also: das Ende der Welt. Ich bestellte eine Cola und kletterte

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