Das Versteckspiel (T-FLAC) (German Edition)
Körper. »Bier? Mineralwasser? Eiskaffee?«
»Kaffee, bitte. «
Sie nahm die Sonnenbrille ab. Fröstelnd ging sie zur Sprechanlage und erteilte einem unsichtbaren Dienstboten Aufträge. Dann nahm sie nonchalant ein hauchdünnes Strandkleid von einer Sessellehne und streifte es über den Kopf. Zu spät erinnerte sie sich, dass es ihren Körper etwa genauso effektvoll verhüllte wie ein paar Spritzer Parfüm. Kyle schlenderte zur hinteren Wand und inspizierte eine Metallskulptur auf einem Marmorpodest. »Faszinierend. Kennst du den Künstler? « Langsam strich er über eine glatte Kurve aus Kupfer. »Sieht wie der Leggett im Louvre aus. Was meinst du? Ist er echt oder nachgemacht? «
Verwirrt betrachtete sie seinen Rücken und schüttelte den Kopf. Da stand sie, praktisch nackt, und versuchte krampfhaft zu verbergen, wie gedemütigt und verängstigt sie sich fühlte. Und er wollte wissen, was sie von einem Stück Metall hielt, das so aussah, als hätte es einer ihrer sechsjährigen Schützlinge in der Vorschule gebastelt. Männer!
Kyle schaute sich um, musterte die teuren Dhurrie-Teppiche, dieses derbe indische Baumwollgewebe, auf dem glasierten Terrakottaboden, das halbe Dutzend buttergelbe Ledersofas zwischen den Grünpflanzen, die den Regenwald ins Haus holten. An der Zimmerdecke bewegten Ventilatoren die milde Luft, in der Mitte plätscherte ein riesiger dreistöckiger Brunnen und besprühte filigrane Farnpflanzen und winzige gelbe Orchideen. Von Bewachungskameras rund um die Uhr gehütet, hing ein Teil von Monteros unbezahlbarer und zweifellos gestohlener Kunstsammlung an den Wänden.
Überall waren Kameras installiert. Nur mit einem Hubschrauber oder einem Fallschirm konnte man den Gipfel des Izquierdo erreichen. Oder man müsste sich hierher beamen lassen. Delanie bezweifelte nicht, dass auch der kleine Flugplatz hinter der ausgedehnten Hazienda ständig bewacht wurde. Offenbar traute Ramón Montero nicht einmal den Freunden, die er in sein abgeschiedenes Domizil einlud. Aber ein Mann wie Ramón hatte keine Freunde. Bestenfalls Bekannte, die ihm noch nicht nach dem Leben trachteten.
Delanie zog ihr langes Haar aus dem Ausschnitt ihres Strandkleids. Dann wandte sie sich zu dem Dienstboten, der ein großes Tablett auf das elegante Rattan-Sideboard stellte. Als er den Raum verlassen hatte, goss sie Eiskaffee in zwei hohe Gläser, besprühte sie mit süßer Schlagsahne und krönte sie reichlich mit Streusel aus Bitterschokolade. Eines der Gläser reichte sie Kyle, mit ihrem eigenen setzte sie sich auf das Sofa am Fenster, das zum Pool hinausging.
Von den Dienstboten abgesehen, waren sie allein im Haus. Bis Montero zurückkehren würde. Ob die Zweisamkeit mit Kyle das geringere Übel war, wusste Delanie nicht. Sie leckte Schlagsahne von ihrer Oberlippe, lehnte sich in die Polsterung zurück und schlug die langen Beine übereinander. »Weißt du eigentlich, wie mächtig Ramón ist? Wenn nicht, solltest du auf meine freundschaftliche Warnung hören. Von Narren hält er nichts. «
Spöttisch hob er die dunklen Brauen. »Kennst du ihn schon lange? «
»Ein paar Monate.« Eine halbe Ewigkeit. Einen Monat, eine Woche, vier Tage und neunzehn Stunden.
»Tatsächlich? Ramón und ich haben in Stanford Medizin studiert. Also ist deine Warnung überflüssig. «
»Heiliger Himmel, hat Ramón einen Doktortitel? «
»Nein.«
»Soeben sagtest du …«, begann Delanie.
»Er hat sein Studium nicht abgeschlossen. «
»Hing das damit zusammen, dass er mindestens zehn Jahre älter war als seine Kommilitonen? «
»War er nicht. Ich war acht Jahre jünger als der Durchschnitt. «
»Ein Wunderkind?«
»So was Ähnliches«, erwiderte er und wechselte abrupt das Thema. »Morgen reist du ab. «
»Wie bitte? «, rief sie entgeistert.
»Tut mir Leid. « Wie eine aufrichtig gemeinte Entschuldigung klang das nicht. »War dieser Satz zu kompliziert für deinen Verstand? Wie wär’s damit? Du.« Er zeigte auf ihre Nase. »Morgen abreisen. « Seine Finger imitierten zwei Uhrzeiger. »Morgen.« Jetzt ahmten die beiden Finger zwei laufende Füße nach.
»Warum bist du kein Komödiant geworden? Wenn dich meine Anwesenheit so schrecklich stört, solltest du verschwinden. «
»Hör mal, Delanie, du ahnst nicht, in was du da geraten bist«, erklärte er mit leiser, kühler Stimme. In seinen hellgrünen Augen erschien ein rätselhafter Ausdruck. »Du kennst ihn nicht so gut wie ich. «
»Immerhin ist er
mein
Liebhaber«, erinnerte
Weitere Kostenlose Bücher