Das vierte Protokoll
glaube, ein Sowjetagent«, sagte Preston. »Ein Illegaler, der hier unter dem Namen James Duncan Ross lebt. Mitte dreißig, mittelgroß, mittlere Statur, vermutlich sehr durchtrainiert, ein Spitzenprofi.«
Er reichte Lyndhurst das Foto, das auf der Straße in Damaskus aufgenommen war. Der Captain betrachtete es interessiert.
»Noch jemand außer ihm drüben?«
»Möglich. Wir wissen es nicht. Ross mit Sicherheit. Er könnte einen Helfer haben. Mit den Nachbarn können wir nicht sprechen. In einer solchen Siedlung verbreitet sich jedes Wort wie ein Lauffeuer. Die Leute, denen dieses Haus gehört, sagten, sie seien überzeugt, daß er allein drüben wohne. Aber beweisen können wir es nicht.«
»Und nach unseren Instruktionen glauben Sie, er sei bewaffnet, vielleicht gefährlich. Zu gefährlich für die hiesigen Polizisten, auch wenn sie Handfeuerwaffen haben, wie?«
»Ja, wir glauben, daß er eine Bombe dort drinnen hat. Er müßte unschädlich gemacht werden, ehe er an sie ran kann.«
»Bombe, aha«, sagte Lyndhurst sichtlich uninteressiert. Er hatte bereits zwei Dienstzeiten in Nordirland hinter sich. »Groß genug, um das Haus wegzublasen oder die ganze Straße?«
»Noch ein bißchen größer«, sagte Preston. »Wenn unsere Annahme stimmt, ist es eine kleine Atombombe.«
Der hochgewachsene Offizier wandte den Blick vom Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite ab, und seine blaßblauen Augen starrten direkt in die Prestons.
»Donnerwetter«, sagte er, »ich bin beeindruckt.«
»Immerhin etwas«, sagte Preston. »Übrigens, ich will ihn haben, und zwar lebend.«
»Fahren wir zurück zu den Docks«, sagte Lyndhurst. »Dann können Sie mit dem Kommandeur sprechen.«
Während dieses Gesprächs in Cherryhayes Close waren zwei weitere Hubschrauber aus Hereford auf dem Flugplatz gelandet, ein Puma und ein Chinook. Im ersten waren die Männer des Sturmtrupps, im zweiten die zahlreichen und geheimnisvollen Bestandteile ihrer Ausrüstung.
Dieses Team stand unter dem Befehl des Deputy Team Commander, eines altgedienten Stabsunteroffiziers namens Steve Bilbow. Er war klein, dunkel und drahtig, hatte glänzend schwarze Knopfaugen und lächelte gern. Wie alle ranghöheren Unteroffiziere im Regiment war er schon lang dabei, genau gesagt seit fünfzehn Jahren.
Auch in dieser Hinsicht ist der SAS eine Ausnahme. Die Offiziere sind fast sämtlich von ihren Stammregimentern auf Zeit abgestellt, sie bleiben im allgemeinen zwei bis drei Jahre und kehren dann wieder zu ihren Stammeinheiten zurück. Nur die Mannschaftsgrade können beim SAS bleiben, und auch nicht alle, nur die besten. Selbst der Kommandeur, der meist schon früher eine Dienstzeit beim Regiment abgeleistet hat, ist nurKommandeur auf Zeit. Die sehr wenigen langgedienten Offiziere gehören alle der Abteilung Logistik - Versorgung - Technik im Hauptquartier an.
Steve Bilbow war als einfacher Soldat von den Fallschirmjägern zum Regiment gekommen, hatte seine Dienstzeit abgeleistet, wurde wegen besonderer Verdienste für eine Verlängerung ausgesucht und hatte es bis zum Stabsunteroffizier gebracht. Er hatte die Kämpfe in Dhofar mitgemacht, in der Hitze des Dschungels von Belize geschwitzt, in zahllosen Nächten in Süd-Armagh gefroren, während sie dort im Hinterhalt lagen, und sich im Hochland von Malaya wieder erholt. Er hatte bei der Ausbildung der GSG 9 der Bundesrepublik Deutschland mitgeholfen und in Charlie Beckwiths Delta Group in Amerika gedient.
Er hatte den endlosen nervtötenden Drill während der Ausbildungszeit kennengelernt, der den Männern des SAS den höchsten Grad von Fitneß und Kampfbereitschaft gibt, und die Einsätze mit hoher Adrenalin-Ausschüttung: in den Hügeln Omans unter Rebellenbeschuß in den Schutz eines Unterstands spurten, einen getarnten Anti-Terror-Trupp gegen republikanische Scharfschützen in East Belfast führen und fünfhundert Fallschirmabsprünge absolvieren, zumeist HALOs - High Altitude, Low Opening, wobei aus großer Höhe abgesprungen und der Fallschirm erst kurz vor dem Boden geöffnet wird.
Zu seinem Kummer hatte er nur zum Reserveteam gehört, als seine Kameraden 1981 in London die iranische Botschaft stürmten, und war nicht zum Einsatz gelangt.
Der Rest des Teams bestand aus einem Fotografen, drei Aufklärern, acht Scharfschützen und neun Sturmsoldaten. Steve hoffte und betete, daß er das Sturmteam führen dürfe. Am Flugplatz waren sie von mehreren neutralen Polizeikombis abgeholt und zum
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