Das vierte Protokoll
Warteplatz gebracht worden. Als Lyndhurst mit Preston wieder zum Lagerhaus kam, war das Team eingetroffen und breitete vor den staunenden Blicken mehrerer Ipswicher Polizisten sein Waffenarsenal auf dem Fußboden aus.
»Hallo, Steve«, sagte Captain Lyndhurst, »alles O. K.?«
»Hallo, Boß. Ja, bestens. Machen gerade Ordnung.«
»Ich habe mir die Festung angesehen. Ein kleines Privathaus. Ein Insasse bekannt, vielleicht sind's auch zwei. Und eine Bombe. Es wird ein kleiner Sturmangriff sein, für mehr ist kein Platz. Ich möchte, daß Sie als erster reingehen.«
»Versuchen Sie mal, mich aufzuhalten, Boß«, grinste Bilbow.
Beim SAS wird mehr Wert auf Selbstdisziplin gelegt als auf Disziplin von außen. Wer diese für die Aufgaben des SAS unerläßliche Selbstdisziplin nicht aufbringt, wird bei der Truppe nicht alt. Wer sie aufbringt, hat die steife Förmlichkeit im persönlichen Umgang nicht nötig, wie sie in »Linienregimentern« Usus ist.
Offiziere sprechen daher ihre Untergebenen meist mit Vornamen an. Die Mannschaftsgrade nennen ihre zum SAS abgestellten Offiziere »Boß«, nur der Kommandeur bekommt ein »Sir«. Unter sich bezeichnen die SAS-Soldaten ihre Offiziere als »Ruperts«.
Stabsunteroffizier Bilbow erblickte Preston, und sein Gesicht leuchtete in begeistertem Grinsen auf.
»Major Preston... Himmel, lange nicht gesehen.«
Preston streckte die Hand aus und erwiderte das Lächeln.
Er hatte Steve Bilbow zuletzt gesehen, als er nach der Schießerei in Bogside in einem sicheren Haus Zuflucht gesucht hatte, wo sich auch vier SAS-Leute unter Führung Bilbows vor einem Blitzeinsatz aufgehalten hatten. Außerdem waren sie beide ehemalige Fallschirmjäger, ein Band, das nie zerreißt.
»Ich bin jetzt bei Fünf«, sagte Preston. »Einsatzleiter für diese Operation, jedenfalls soweit sie Fünf betrifft.«
»Was haben Sie Schönes für uns?« fragte Steve.
»Einen Russen. KGB-Agent, Spitzenprofi. Hat vermutlich den Spetsnaz-Kurs absolviert, also ist er gut, schnell und wahrscheinlich bewaffnet.«
»Reizend. Spetsnaz, aha! Mal sehen, wie gut sie wirklich sind.«
Alle drei Anwesenden kannten Spetsnaz, die russische Elitetruppe von Saboteuren. Das sowjetische Gegenstück zim SAS.
»Muß leider die Wiedersehensfeier stören«, sagte Lyndhurst, »aber es wird Zeit, daß wir mit der Instruktion anfangen.«
Er und Preston stiegen hinauf zum Oberstock, wo sie Brigadegeneral Cripps, Chief Superintendent Low und die Aufklärer des SAS vorfanden. Eine Stunde lang informierte Preston die Männer über alles, was er wußte, und die Gesichter wurden immer ernster.
»Haben Sie irgendeinen Beweis dafür, daß dort drüben ein nuklearer Sprengkörper steckt?« fragte Low schließlich.
»Nein, Sir. Wir konnten in Glasgow ein Zubehörteil abfangen, das für jemanden bestimmt war, der getarnt hier arbeitet. Die Jungs vom Fach sagen, es gibt überhaupt keinen anderen Verwendungszweck. Wir wissen, daß der Mann in dem Haus ein sowjetischer Illegaler ist - die Mossad hat ihn auf der Straße in Damaskus geknipst. Es paßt mit dem Geheimsender in Chesterfield zusammen. Ich bin auf Schlußfolgerungen angewiesen. Wenn das Zubehörteil aus Glasgow nicht für den Bau einer kleinen Bombe innerhalb Englands gedacht war, wozu, zum Teufel, soll es dann dienen? Ich komme zu keiner anderen sinnvollen Erklärung.
Und wenn nicht zur Zeit zwei bedeutende Geheimoperationen des KGB in England laufen, dann war dieses Zubehörteil für Ross bestimmt. Q.e.d.«
»Ja«, sagte Brigadegeneral Cripps, »ich glaube, davon müssen wir ausgehen. Wir müssen annehmen, daß das Ding dort drinnen ist. Wenn nicht, dann müssen wir ein ernstes Wort mit Ross sprechen.«
Chief Superintendent Low erlebte am hellen Tag einen Alptraum. Er sah ein, daß das Haus gestürmt werden müsse; und er versuchte sich vorzustellen, was mit Ipswich passierte, wenn die Bombe hochgehen würde.
»Könnten wir nicht evakuieren?« fragte er ohne viel Hoffnung.
»Würde ihm auffallen«, sagte Preston kurz. »Wenn er merkt, daß er am Ende ist, nimmt er uns alle mit.«
Die Soldaten nickten. Sie wußten, wenn sie in der gleichen Situation im tiefsten Rußland stecken würden, müßten sie das auch tun.
Mittag war vorüber, und niemand hatte an Lunch gedacht. Essen war überflüssig. Der Nachmittag verging mit Erkundungen und Vorbereitungen.
Steve Bilbow fuhr mit dem Fotografen und einem Polizisten zurück zum Flugplatz. Die drei flogen mit dem Hubschrauber den
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