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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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richtete Petrofski sich kerzengerade auf und konzentrierte sich fast nur noch auf den Vogel, während er mit halbem Ohr dem Interview lauschte. Er war überzeugt, daß er einen solchen Vogel früher schon einmal irgendwo gesehen hatte.
    »Soll dieser hübsche Vogel auf einer Ausstellung gezeigt werden?« fragte die Reporterin. Sie war neu, ein bißchen zu clever, und versuchte, mehr aus dem Interview herauszuholen, als es hergab.
    »Du lieber Gott, nein«, sagte der Mann mit der Mütze, »das ist keine Liebhaberzüchtung. Das ist eine Westcott.«
    Ein Blitz der Erinnerung durchzuckte Petrofski. Vor sich sah er das Zimmer in der Gästesuite der Datscha des Generalsekretärs in Usowo. »Hab' sie letzten Winter auf der Straße gefunden..« hatte der vertrocknete alte Engländer gesagt, und der Vogel hatte mit glänzenden klugen Augen aus seinem Käfig gelinst.
    »Also nicht die Art, wie man sie in der Stadt zu sehen kriegt...« meinte die Frau auf dem Fernsehschirm. Sie war hoffnungslos ins Schwimmen gekommen. In diesem Augenblick klingelte das Telefon in Petrofskis Diele...
    Normalerweise hätte er sich gemeldet, falls es ein Nachbar gewesen wäre. Im Haus brannte Licht, also würde es Verdacht erwecken, wenn niemand abnahm. Aber er blieb sitzen und starrte auf das Bild. Das Telefon klingelte hartnäckig weiter. Zusammen mit dem Fernsehen übertönte es das leise Tappen von Gummisohlen auf dem Pflaster.
    »Das will ich meinen«, erwiderte der Mann mit der Mütze fröhlich. »Eine Westcott ist keine Streunerin. Sie gehört zu den besten Fliegern der Welt. Diese kleine Schönheit wird immer in den Schlag zurückflitzen, von dem sie aufgelassen wurde. Deshalb benützt man sie als Brieftaube.«
    Petrofski sprang mit einem Wutschrei von seinem Sessel hoch. Zugleich mit ihm fuhr die große Sako-Präzisionspistole, die er seit seiner Ankunft in England immer bei sich hatte, aus ihrem Platz zwischen Sitzkissen und Seitenlehne. Er stieß ein einziges kurzes Wort auf russisch hervor. Niemand hörte es, aber es bedeutete »Verräter«.
    In diesem Augenblick ertönte ein Krachen, dann ein zweites, so schnell nacheinander, daß es wie ein einziges klang. Zugleich hörte er das Splittern des Glases an seiner Vordertür, von der Rückseite des Hauses zwei gewaltige Donnerschläge und Getrampel in der Diele. Petrofski fuhr zur Tür des Wohnzimmers herum und schoß dreimal. Seine Sako Triace, auf die drei auswechselbare Läufe aufgesetzt werden konnten, war mit dem großkalibrigsten Lauf bestückt. Sie hatte fünf Patronen im Magazin. Er beließ es bei drei Schüssen; vielleicht würde er die beiden letzten für sich selber brauchen. Aber die drei, die er abfeuerte, schlugen durch die dünne Holzfüllung der geschlossenen Tür hinaus in die Diele.
    Die Bewohner von Cherryhayes Close werden ihr ganzes Leben lang immer wieder erzählen, was in jener Nacht geschah, aber keiner wird es völlig richtig wiedergeben.
    Das Donnern des Wingmaster, der beide Angeln aus der Tür brach, riß sie alle von den Stühlen. Sofort nach dem Feuern trat der Schütze beiseite und zurück, um seinen Kameraden Platz zu machen. Ein Hieb mit dem Schmiedehammer, und Schloß, Riegel und Kette auf der anderen Türseite flogen in alle Richtungen. Dann trat auch der zweite Mann zurück und zur Seite. Beide ließen ihr Gerät fallen und zückten die HKs.
    Steve und der Corporal waren bereits durch die Öffnung ins Haus gelaufen. Der Corporal war mit drei Sprüngen die Treppe hinauf, hinter ihm der Mann, der den Hammer geschwungen hatte. Steve rannte an dem noch immer klingelnden Telefon vorbei bis zum Wohnzimmer, wandte sich zur Tür und wurde glatt umgeblasen. Die drei Kugeln, die die Tür durchschlagen hatten, trafen ihn mit einem hörbaren »Plopp« und schleuderten ihn gegen das Treppengeländer. Der Mann mit dem Wingmaster stellte sich neben die noch immer geschlossene Tür und gab zwei Feuerstöße ab. Dann stieß er die Tür mit dem Fuß auf, schlug eine Rolle und landete in Kauerstellung ein gutes Stück innerhalb des Zimmers.
    Beim Knall der Gewehrschüsse öffnete Captain Lyndhurst die Vordertür auf der anderen Straßenseite und spähte hinaus. Preston stand hinter ihm. In der erleuchteten Diele gegenüber sah der Captain seinen stellvertretenden Teamführer zur Wohnzimmertür laufen und wie eine Stoffpuppe durch die Luft segeln. Lyndhurst setzte zum Spurt an. Preston folgte ihm.
    Gerade als der Soldat, der die beiden Feuerstöße abgegeben hatte,

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