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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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hätte ihn mit einem Fußtritt von seinem Vorhaben abhalten können. Es war nicht nötig, ihm den Schädel wegzublasen.«
    »Bestimmt wollte der gute Captain hundertprozentig sichergehen«, meinte der Meister.
    »Wäre der Russe am Leben geblieben, so hätten wir die Sowjetunion überführt, in flagranti erwischt. Ohne ihn haben wir nichts, was sie nicht überzeugend leugnen könnten. Mit anderen Worten, die ganze Geschichte ist jetzt tot und begraben.«
    »Wie wahr«, nickte der Meister, während er nachdenklich an einem Stück Mürbeteig mit Erdbeeren kaute.
    »Captain Lyndhurst ist übrigens der Sohn von Lord Frinton«, bemerkte Preston.
    »Tatsächlich? Frinton? Sollte ich ihn kennen?«
    »Eigentlich schon. Er ging mit Ihnen zur Schule.«
    »Wirklich. Wir waren so viele. Schwer zu behalten.«
    »Und ich glaube, Julian Lyndhurst ist Ihr Patensohn.«
    »Mein lieber John, Sie machen's wirklich sehr gründlich, wie?«
    Sir Nigel war mit dem Dessert fertig. Er stützte das Kinn auf die gefalteten Hände und blickte den Fragesteller von MI5 unverwandt an. Die Höflichkeit war geblieben; von guter Laune nicht mehr die Spur.
    »Sonst noch etwas?«
    Preston nickte.
    »Eine Stunde, ehe der Sturmtrupp angriff, nahm Captain Lyndhurst in der Diele des Hauses gegenüber einen Telefonanruf entgegen. Ich fragte den Mann, der abgehoben hatte. Der Anrufer telefonierte von einer öffentlichen Sprechzelle aus.«
    »Zweifellos ein Kollege Lyndhursts.«
    »Nein, Sir. Sie benutzten nur Funk. Und niemand, der nicht mit der Operation zu tun hatte, wußte, daß wir in diesem Haus waren. Niemand, nur ein paar Leute in London.«
    »Darf ich fragen, worauf Sie hinauswollen?«
    »Nur noch eine Kleinigkeit, Sir Nigel. Ehe der Russe starb, flüsterte er ein Wort. Er schien seine letzte Kraft aufzubieten, um dieses Wort noch herauszubringen. Ich hatte mein Ohr dicht an seinem Mund. Er sagte: Philby.«
    »Philby? Du lieber Himmel. Was mag er damit gemeint haben?«
    »Ich glaube, ich weiß es. Ich glaube, er dachte, Harold Philby habe ihn verraten, und ich glaube, es stimmt.«
    »Aha. Und dürfte ich darum bitten, Ihre Schlußfolgerungen zu hören?«
    Die Stimme des Chefs war sanft, aber aus seinem Tonfall war die frühere Jovialität verschwunden. Preston holte tief Atem.
    »Ich ziehe den Schluß, daß der Verräter Philby an dieser Operation beteiligt war, vielleicht von Anfang an. Und er hatte sich nach beiden Seiten abgesichert. Ich habe - wie andere Leute auch - etwas läuten hören, daß er nach Hause möchte, um seinen Lebensabend hier in England zu verbringen. Wäre der Plan gelungen, so hätte er sich vermutlich damit von seinen sowjetischen Herrn und Meistern die Freilassung und von einer neuen Regierung der Harten Linken in London die Einreisegenehmigung verdient. Vielleicht in Jahresfrist. Oder er konnte London den Plan in großen Umrissen berichten und ihn damit vereiteln.«
    »Und welche dieser beiden bemerkenswerten Möglichkeiten hat er Ihrer Meinung nach gewählt?«
    »Die zweite, Sir Nigel.«
    »Mit welchem Ziel?«
    »Daß er seine Rückfahrkarte bekommt. Von hier. Ein Geschäft.«
    »Und Sie glauben, ich sei an diesem Geschäft beteiligt?«
    »Ich weiß nicht, was ich glauben soll, Sir Nigel. Ich weiß nicht, was ich sonst glauben soll. Es wurde geredet... über seine ehemaligen Kollegen, den magischen Zirkel, die Solidarität des Establishments, dem er einst angehört hat... so in dieser Richtung.«
    Preston starrte auf seinen Teller mit der halb aufgegessenen Erdbeertorte. Sir Nigel blickte lange Zeit zur Decke, ehe er einen tiefen Seufzer ausstieß.
    »Sie sind ein bemerkenswerter Mensch, John. Sagen Sie, was haben Sie für heute in einer Woche vor?«
    »Vermutlich nichts.«
    »Dann erwarten Sie mich doch bitte um acht Uhr früh am Eingang von Sentinel House. Bringen Sie Ihren Paß mit. Und jetzt, wenn es Ihnen recht ist, möchte ich vorschlagen, daß wir den Kaffee in der Bibliothek trinken..«
    Der Mann stand am Fenster des sicheren Hauses in einer Genfer Nebenstraße und beobachtete den Weggang seines Besuchers. Drunten tauchten Kopf und Schultern des Gastes auf, dann ging er den kurzen Weg bis zum Eingangstor und trat hinaus auf die Straße, wo sein Wagen wartete.
    Der Fahrer stieg aus, lief um den Wagen herum und öffnete seinem Vorgesetzten den Schlag. Dann ging er zurück zur Fahrertür.
    Ehe er wieder einstieg, blickte Preston hinauf zu der Gestalt hinter der Scheibe des oberen Fensters. Als er sich ans Steuer gesetzt

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