Das vierte Protokoll
aufsprang und sich über die reglose Gestalt auf dem Teppich beugte, erschien Captain Lyndhurst unter der Tür. Trotz der Schwaden von Korditrauch erfaßte er die Szene mit einem einzigen Blick.
»Gehen Sie raus und helfen Sie Steve«, befahl er in scharfem Ton. Der Soldat widersprach nicht. Der Mann auf dem Teppich begann sich zu regen. Lyndhurst zog seine Browning-Automatic unter dem Jackett hervor.
Der Soldat hatte git gezielt. Petrofski hatte einen Schuß ins linke Knie abgekriegt, einen in die untere Magenpartie und einen in die rechte Schulter. Seine Pistole war quer durchs Zimmer geflogen. Trotz der Ablenkung durch das Holz in der Tür hatte der Soldat mit dreien von vier Schüssen getroffen.
Petrofski litt grauenvoll, aber er lebte. Er fing an zu kriechen.
Ein paar Meter entfernt konnte er den grauen Stahlschrank sehen, daneben den flachen Kasten, die beiden Knöpfe, einer gelb, einer rot. Captain Lyndhurst zielte sorgfältig und gab einen Schuß ab.
John Preston rannte so schnell an dem Offizier vorbei, daß er an dessen Hüfte stieß. Er kniete neben dem Mann auf dem Teppich nieder. Petrofski lag auf der Seite, der halbe Hinterkopf war weggeschossen, der Mund bewegte sich wie bei einem Fisch auf dem Trockenen. Preston beugte sich tief über den Sterbenden. Lyndhurst hatte die Waffe noch immer auf das »Ziel« gerichtet, aber der Mann von MI5 war zwischen ihm und dem Russen. Lyndhurst trat ein Stück zur Seite, um sicherer zu treffen, dann ließ er die Waffe sinken.
Preston stand auf. Ein zweiter Schuß war nicht mehr nötig.
»Wir sollten die Burschen von Aldermaston holen, damit sie sich das da mal ansehen«, sagte Lyndhurst und wies auf den Stahlbehälter in der Ecke.
»Ich wollte ihn lebend haben«, sagte Preston.
»Tut mir leid, alter Junge. War nicht zu machen«, sagte der Captain.
In diesem Moment fuhren beide Männer beim Geräusch eines lauten Klickens hoch, und eine Stimme sprach von der Anrichte her zu ihnen. Sie sahen ein großes Radiogerät mit Zeiteinstellung, das sich automatisch eingeschaltet hatte. Die Stimme sagte:
»Guten Abend. Hier Radio Moskau. Wir bringen die Nachrichten in englischer Sprache. Die Zeit: zweiundzwanzig Uhr. In Terry... Verzeihung, ich beginne nochmals. In Teheran erklärte die Regierung heute... «
Captain Lyndhurst trat zur Anrichte und schaltete das Radio ab. Der Mann auf dem Teppich starrte mit blicklosen Augen auf das Muster. Die codierte Botschaft, die für ihn allein bestimmt war, erreichte ihn nicht mehr.
8. Kapitel
Die Einladung zum Lunch lautete auf ein Uhr am Freitag, dem 19. Juni, im Brook's Club in St. James. Preston stellte sich pünktlich ein, doch noch ehe er sich beim Club-Portier anmelden konnte, kam Sir Nigel ihm durch die Marmorhalle entgegen.
»Mein lieber John, wie nett, daß Sie gekommen sind.«
Sie begaben sich zum Aperitif an die Bar, wo man unverbindlich plauderte. Preston konnte dem Chef berichten, daß er soeben aus Hereford zurückgekommen sei, wo er Steve Bilbow im Krankenhaus besucht hatte. Der Stabsunteroffizier hatte Glück gehabt. Erst als die abgeflachten Russenpatronen aus seiner kugelsicheren Montur entfernt wurden, hatte einer der Ärzte einen Schmierfleck bemerkt und ihn analysieren lassen. Die Zyankalimischung war nicht in den Blutstrom gelangt; die Schockhemmer hatten dem S AS-Mann das Leben gerettet. Er hatte zwar schwere Quetschungen und ein paar Beulen abbekommen, war aber in guter Verfassung.
»Ausgezeichnet«, sagte Sir Nigel mit echter Freude, »man verliert so ungern einen guten Mann.«
Die übrigen Barbesucher sprachen über den Wahlausgang, und viele waren die halbe Nacht aufgeblieben und hatten gewartet, bis die Endergebnisse des Kopf-an-Kopf-Rennens aus den Provinzen gemeldet wurden.
Um halb zwei gingen sie hinüber zum Lunch. Sir Nigel hatte einen Ecktisch, wo sie ungestört sprechen konnten. Auf dem Weg in den Speisesaal begegneten sie Sir Martin Flannery, der gerade herauskam. Die drei Männer kannten einander, aber Sir Martin sah auf den ersten Blick, daß sein Kollege eine »Besprechung« hatte. Für zwei ehemalige Oxford-Studenten genügte es, daß man sich gegenseitig durch ein fast unmerkliches Nicken zur Kenntnis nahm. Schulterklopfen überläßt man den Ausländern.
»Ich habe Sie hierhergebeten, John«, sagte »C« und breitete die Leinenserviette über seine Knie, »um Ihnen meinen Dank und meine Glückwünsche zu entbieten. Eine bemerkenswerte Operation und ein ausgezeichnetes
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