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Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Titel: Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
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dazu einer Mutprobe.«
    »Nein, verdammt noch mal, das bin ich nicht, das bin ich sogar überhaupt nicht«, erklärte sein Begleiter zur größten Überraschung des Gelehrten zornig. »Sag ihnen, ich hätte nicht vor, einer der ihren zu werden.«
    »Aber Rhonan …«
    »Nein, verflucht! Sag es ihnen!«, unterbrach der unwirsch.
    »Sie wollen wissen, warum sie dich dann begleiten sollen.«
    »Weil der Schatten irgendwann auch den Sumpf erreichen wird. Ihre ganzen Naturgeister sind doch schon zornig. Bei allen Göttern, das habe ich doch schon oft genug erklärt. Ich werde hier noch wahnsinnig.«
    Er fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund, atmete tief durch und fuhr etwas ruhiger fort: »Sag ihnen, dass wir nur gemeinsam das Schwarze Heer besiegen können. Sag ihnen …«
    »Tritt vor, und sage es mir selbst!«
    Gideon fuhr zusammen, und der Prinz sah völlig überrascht in die Runde der Echsenkrieger. »Was ist?«
    Ein geflügelter Kalla winkte ihn heran. »Sprich mit mir!«
    »Du sprichst unsere Sprache?«, fragte Rhonan verblüfft.
    Es klang zwar kehlig, und auch die Betonung war seltsam, aber darüber hinaus war es gut zu verstehen.
    »Es gab einmal eine Zeit, da glaubte ich, ihr Menschen wärt nicht unsere Feinde. Also verließ ich vor vielen, vielen Jahren die Sümpfe, um Heiler für meinen todkranken Vater zu holen. Ein Gelehrter, ein Stammesbruder deines Begleiters, hatte lange vor meiner Geburt einige Zeit bei uns gelebt und dabei auch von den Heilkräften der Priesterinnen berichtet. Mein Vater hatte mir davon erzählt, und als er im Sterben lag, erinnerte ich mich daran. Ich war noch jung, so jung, dass meine Flügel nicht mehr als kleine, knöcherne Auswüchse am Rücken waren. Ich flehte meine erwachsenen Artgenossen an, auf der Nebelinsel um Hilfe zu bitten. Alle weigerten sich. Hilfe von Menschen wollten sie nicht. Sie warnten mich vor deren Überheblichkeit und Missachtung uns gegenüber. Ich wollte ihnen nicht glauben und machte mich zu Fuß auf zu dieser Nebelinsel, kam jedoch nie an. Denn ich wurde eingefangen, in Ketten gelegt und durch die Städte geschleift, wo deinesgleichen dafür bezahlte, Steine auf mich werfen zu dürfen. Und glaube mir, viele Kromtaler wechselten den Besitzer. Ohne meine Panzerung hätte ich nicht lange überlebt.«
    Er hielt seine klauenartigen Hände vor sich. »Man schnitt mir sogar die Krallen ab. Ich bekam nur Abfälle zu essen und wurde gehalten wie ein wildes Tier, obwohl sie doch erkennen mussten, dass ich noch ein Kind war. Reichte ich ihnen doch nicht einmal bis zur Schulter. Ich habe in dieser furchtbaren Zeit eure Sprache gelernt, und ich habe gelernt, dass ihr bösartig und gefühllos seid. Ich war in friedlicher Absicht gekommen, aber ihr habt mich gedemütigt und gequält. Auch du siehst uns doch nur als Tiere an und willst deshalb keiner von uns werden. Du wärst nie einer von uns geworden, und du hättest auch keine Mutprobe bestehen müssen. Es war nur eine Prüfung, um zu sehen, wie du uns siehst. Du hast versagt. Warum sollten wir dir also helfen? Auch unsere Kinder werfen gern mit Steinen auf Feinde. Warum solltest du ein besseres Schicksal haben als ich?«
    Gideon war immer bleicher geworden. Diese unerwartete Wendung konnte nichts Gutes bedeuten.
    Er sah beklommen zu seinem Begleiter, der ohne jede sichtbare Regung der Rede zugehört hatte, und jetzt frostig erwiderte: »Eure Kinder werfen doch nicht nur mit Steinen. Mir wurde erzählt, sie essen ausgesprochen gern Menschenfleisch. Verstehst du so etwas vielleicht unter Gastfreundschaft? Erwartest du Mitgefühl oder eine Entschuldigung von mir? Dann lass dir gesagt sein, darauf kannst du warten, bis dir deine Klauen auch noch abfaulen. Aber nun zu deiner Vermutung: Ich wäre nicht hier, wenn ich euch für Tiere hielte. Ich unterhalte mich üblicherweise nicht mit Tieren, und Verträge will ich mit denen schon gar nicht schließen. Und nun zu eurer blöden Prüfung! Ich gebe dir gern eine Begründung für meine Ablehnung, einer von euch zu werden. Ich könnte und wollte nicht in den Sümpfen leben, genauso wenig, wie ihr in unseren Städten leben wolltet. Ich will nicht euer Stammesmitglied werden, ich will nicht einmal euer Freund werden, ich will mit euch zusammen den Schatten besiegen, nicht mehr und nicht weniger. Dann geht ihr wieder in die Sümpfe und wir in unsere Städte.«
    »Ist das die Art, mit der du Kampfgenossen gewinnen willst? Du gehst nicht gerade einfühlsam oder freundlich

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