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Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Titel: Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
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einmal der freundliche Hinweis darauf, dass Rhonan nun einmal ein sehr kräftiger Mann und daher vielleicht etwas widerstandsfähiger wäre als sie, hatte Caitlin von ihren mit Lobgesängen vermischten Ermahnungen abhalten können. Also machte Hylia lieber weiter Dehnübungen und wärmte sich dabei an dem Gedanken, so zumindest nicht völlig steifbeinig den Scheiterhaufen erklimmen zu müssen.
    »Hast du wieder mit Canon Verbindung aufnehmen können?«, fragte Caitlin gerade, und Hylia nickte. »In vier, fünf Tagen erreichen sie das Feld der Träume. Canon sagt, so etwas hätte er noch nicht gesehen. Immer mehr schließen sich ihnen an. Sogar Bauern und fahrende Händler. Die Menschen geben den Truppen, die durch ihre Dörfer ziehen, ihr letztes Brot mit, als wenn es ohne Sieg kein morgen mehr gäbe.«
    Auf einen fragenden Blick Caitlins hin schüttelte sie traurig den Kopf. »Sie haben immer noch keine Nachricht von Rhonan. In den Sümpfen scheint sich nichts zu regen. Selbst wenn er die Echsen noch zum Kämpfen bewegen könnte, kämen sie vermutlich zu spät. Oh, Kleines, nicht nur uns steht das Wasser bis zum Hals. Der Schwarze Fürst steht kurz vor seinem endgültigen Sieg.«
    »Das glaube ich nie im Leben«, widersprach ihre Begleiterin mit großer Bestimmtheit. »Rhonan wird das verhindern. Er wird ihn besiegen.«
    Wenn er überhaupt noch lebt, ging es Hylia durch den Kopf. Aber sie schwieg.
    Das Wasser war stetig angestiegen, und ächzend zogen sie sich an der kalten, glitschigen Felswand hoch.
    Hylia zog ihre bibbernde Freundin an sich. »Mir graut schon vor der nächsten Zeit. Diese Kälte und der fürchterliche Gestank machen mich wahnsinnig. Jetzt wäre es wohl wieder einmal an der Zeit, dass du uns mit einer Geschichte über den unüberbietbaren Heldenmut und die unglaubliche Ruhe deines Gatten aufrichtest. Es gab doch sicherlich noch mehr völlig ausweglose Situationen, die er kühn und unerschrocken gemeistert hat.«
    »Ich hatte den Eindruck, du wolltest darüber nichts mehr hören.«
    »Aber überhaupt nicht«, protestierte Hylia umgehend mit einem kleinen Lächeln. »Nichts in der Welt lässt meine eigene Lage schließlich so gemütlich erscheinen wie die Schilderung der grauenvollen Dinge, die ihm so widerfahren sind.«
    »Ich wünschte so sehr, er wäre jetzt bei mir«, erwiderte Caitlin kleinlaut. »Wenn er mich nur einmal in den Arm nehmen würde und sagen würde: Wir schaffen das schon!, dann hätte ich nicht mehr halb so viel Angst. Weißt du, du bist ja auch lieb, aber deine Arme sind eben nicht stark, und ich spüre allzu deutlich dein Zittern, als dass ich wirklich beruhigt sein könnte.«
    »Das ist nur die Kälte. Du glaubst gar nicht, wie kühn ich sein kann, wenn ich nur will«, gab sie zurück, und beide lachten halbherzig.
    »Wirst du dich mit Canon verbinden, wenn alles vorbei ist?«
    »Du meinst, wenn Camora und sein Schattenheer besiegt sind und wenn Canon die Schlacht lebend überstanden hat und wenn wir dieses Verlies überleben und auf wundersame Weise auch noch vor dem Scheiterhaufen gerettet werden, auch wenn ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, wer uns jemals von der Nebelinsel sollte befreien können? Wenn all das geschieht, woran ich nicht glauben kann, dann werde ich mich stehenden Fußes mit Canon verbinden … und wenn ich ihn zuvor betäuben müsste.«
    »Wenn du dich vorher nicht umziehst, fällt er schon vom Gestank von alleine um. Dann hättest du leichtes Spiel.«
    »Ja, da ist was dran.«
    »Dann werden wir fast so etwas wie Schwestern sein. Ich freue mich schon darauf, Hylia. Ist er so wie Derea?«
    Die Priesterin lachte auf. »Nein, überhaupt nicht! Er hat mehr vom General, allerdings nur äußerlich. Er ist groß, fast so groß wie dein Rhonan, blond und hat blaue Augen, aber nicht so dunkle wie Derea und du, sondern mehr so wie das klare Wasser im Sommersee. Er ist ruhig und stets besonnen. Er hat viel Humor, aber nie würde er solchen Unsinn von sich geben wie sein Bruder hin und wieder. Ich denke, er würde sehr gut zu mir passen, und wenn ich ganz ehrlich bin, hätte ich jetzt auch lieber ihn im Arm und nicht dich. Aber so ist das mit den Männern: Kaum braucht man sie, sind sie nicht da.«
    Unwillkürlich pressten sie sich enger aneinander und schluchzten unglücklich.
    Das trübe Wasser mit Seetang und bräunlichem Schaum schwappte um sie herum, und ihre Beine waren bereits nahezu taub vor Kälte.
    Caitlin sagte sich zum hundertsten oder

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