Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]
vor.«
Rhonan lachte freudlos auf. »Richtig erkannt! Ich hoffe auf eure Einsichtsfähigkeit und baue deshalb nicht auf Überredungskünste. Ich muss mich nämlich an den Zeitplan unseres Feindes halten. Ich will mit euch zusammen gegen ihn kämpfen und bin nicht auf Brautschau.«
Gideon räusperte sich immer wieder vernehmlich, versuchte dadurch aber vergeblich, die Aufmerksamkeit seines unwirschen Partners zu erhalten. Er konnte gar nicht glauben, dass den ausgerechnet in einer so lebenswichtigen Angelegenheit die Ruhe verließ. War dessen Sorge um Caitlin schon so groß, dass er alles andere darüber vergaß? Er spürte, wie seine Handflächen feucht wurden. So würden sie kaum Verbündete gewinnen können. Alles, aber auch wirklich alles lief schief.
»Wir sollen mit euch kämpfen? Erwartest du ernsthaft von mir, dass ich mein Leben für Wesen einsetze, die mir so viel Leid angetan haben?«, fragte der Echsenmann auch gerade unterkühlt.
Rhonan ließ seinen Blick umherschweifen. »Ich sehe hier eine Menge Führer, aber du sprichst immer nur von dir und deinen schlechten Erfahrungen. Heißt das, wenn du uns nicht helfen willst, dann wird uns keiner helfen?«
Der nickte bedächtig. »Das heißt es. Unsere Entscheidung muss einstimmig getroffen werden. Ich spreche nicht für die anderen, aber wenn ich nicht in die Schlacht gehen will, wird keiner von uns dich begleiten. Verfügte ich nicht über meine natürliche Panzerung, wäre ich nicht mehr am Leben. Du kannst sicher verstehen, dass ich nicht geneigt bin, dir und den anderen Menschen zu helfen.«
Der Prinz schien zu überlegen, nickte schließlich entschlossen, kniff die Augen leicht zusammen und hielt ihm dann seine rechte Hand hin, mit dem verbrannten und mit Narben bedeckten Handrücken, dem steifen Ringfinger und den vernarbten Verdickungen an allen anderen Fingern.
»Dürfte selbst in deinen Augen seltsam aussehen, oder? Ich habe keine Krallen, die abgeschnitten werden mussten. Ich bin auf Waffen angewiesen. Um keine mehr tragen zu können, hat man mir die Knochen zertrümmert. Wir können auch gern einmal unsere Erfahrungen darüber austauschen, welche Abfälle noch halbwegs genießbar sind und wann man doch besser Hunger einer drohenden Vergiftung vorziehen sollte.«
Ohne jede Hast, aber auch ohne jedes Zögern zog er sein Hemd aus. »Ich habe leider keine Panzerung so wie du. Wenn du darauf bestehst, kann ich dir auch noch die Narben von Ketten an meinen Fußgelenken zeigen.«
»Warum zeigst du mir das? Willst du jetzt Mitgefühl von mir?«, wollte der Kalla wissen, und Gideon bedauerte nicht zum ersten Mal, dass auf den Gesichtern der fremden Krieger keinerlei Regung zu erkennen war.
Allerdings war es totenstill geworden. Sogar das Gemurmel der jungen Kalla, die das Ganze neugierig von den kleinen Nebeninseln beobachteten, war verstummt.
Der Prinz lachte erneut, diesmal hörbar geringschätzig, auf. »Oh, vielen Dank, aber darauf kann ich verzichten. Ich wollte dir lediglich zeigen, dass es ohne Belang ist, was irgendwer dir einmal angetan hat. Ich mag viele Menschen auch nicht, wie du jetzt vielleicht verstehen kannst, aber ich werde trotzdem mit ihnen gegen den Schatten kämpfen, weil es unverzichtbar ist, wenn wir alle eine Zukunft haben wollen. Wir, und damit meine ich jeden Einzelnen von uns und nicht nach Kalla oder Menschen getrennt, wir alle haben oft keine großen Gemeinsamkeiten, wir haben andere Vorstellungen von unserem Leben, andere Wünsche und andere Ziele, aber was wir alle gemeinsam haben: Wir haben einen gemeinsamen Feind. Weder ihr noch wir werden ihn allein besiegen können. Ich will nicht für dich kämpfen, weil ich dich kaum kenne, und du nicht für mich, weil ich dir ebenfalls nichts bedeute. Allein für uns selbst, unsere Frauen und unsere Kinder sollten wir uns zusammentun, ihn gemeinsam besiegen und dann wieder unserer Wege gehen.«
»Du willst keine Freundschaft unter uns?«
»Ich? Nein, ich ganz sicher nicht! Selbst unter den Menschen habe ich nur wenige Freunde. Ich kann sie leicht an einer Hand abzählen. Wahre Freundschaft, so wie ich sie verstehe, entsteht langsam und nur im Kleinen. Freundschaft unter so unterschiedlichen Völkern dürfte schwierig sein. Ein friedliches Nebeneinander erscheint mir viel erstrebenswerter und doch auch ausreichend. Du würdest doch ohnehin später nicht auf ein Schwätzchen in die Stadt kommen wollen, und ich finde eure Sümpfe unerträglich.«
Der Verianer konnte nur den
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