Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]
Wir schießen jetzt weit übers Ziel hinaus. Das ist ja alles schön und gut … nur nicht durchführbar.«
Während Derea sofort mit einem Stoßseufzer nickte, sahen die Frauen ihn verständnislos an.
»Aber warum nicht? Wir … «, begann Marga, wurde aber gleich wieder von ihm unterbrochen.
»Weil die Echsen uns lediglich zum Gebirge bringen wollen. Ihr Führer hat ganz deutlich gemacht, dass sie sich nicht an der Schlacht beteiligen werden. Dazu fehlt ihnen der Beschluss ihrer Versammlung, und außerdem ist er der Ansicht, es brächte Unheil, gegen Priesterinnen zu kämpfen.«
»Was? Sie können doch nicht auf halber Strecke umkehren«, empörte sich Morwena sofort. »Warum kämpfen sie erst gegen Camora, wenn sie die Reiche jetzt kampflos den Nebelfrauen überlassen wollen?«
»Weil ihnen die Reiche gleichgültig sind. Sie wollten lediglich den Schatten aufhalten«, erwiderte Derea tonlos. »Sie gehen einfach wieder in ihre Sümpfe zurück. Denen wird Ayala genauso wenig Beachtung schenken wie Camora.«
Mitten in das trostlose Schweigen, das dieser Erläuterung gefolgt war, platzte ein freudestrahlender Remo. Bevor er jedoch auch nur ein Wort herausbringen konnte, schickte ihn Morwena wieder fort, mit der Anweisung, ihr auf der Stelle diesen Führer der Flugechsen zu holen.
Wild entschlossen und kampfbereit blickte sie in die Runde. »Er wird seine Ansicht ändern. Ihr werdet schon sehen.«
Canon und Derea, die die Kalla mittlerweile etwas besser kannten, warfen sich beredte Blicke zu, behielten ihre Bedenken aber für sich.
Es dauerte nicht lange, bis Pthameni erschien und sich grüßend vor den anwesenden Damen verneigte.
Die Königin lächelte ihm huldvoll entgegen, bot ihm einen Platz an und bedankte sich zunächst bei ihm für die geleisteten Dienste. Sie hob hervor, dass die Menschen ohne die Hilfe der Sumpfbewohner die große Schlacht verloren hätten und dass sie ihnen aus diesem Grund auf ewig in tiefer Freundschaft und Dankbarkeit verbunden sein würden.
Der Echsenmann nickte ein ums andere Mal, schwieg aber.
Morwena erklärte ihm dann ausführlich, wie unglaublich wichtig es jetzt sei, auch noch den Nebelfrauen Einhalt zu gebieten, um endlich einen dauerhaften Frieden zu sichern. Wieder erntete sie häufiges Nicken und fasste neuen Mut.
»Es ist jetzt an uns, gemeinsam gegen die Priesterinnen ins Feld zu ziehen«, beendete sie ihre Ausführungen. »Seite an Seite werden wir die Zukunft unserer Kinder sichern. Was sagt Ihr dazu, mein Freund?«
Pthameni verbeugte sich erneut. »Wir werden die Krieger zum Wolkengebirge bringen, und wir werden die Götter um Beistand für die Schlacht bitten.«
Morwena rutschte im Stuhl nach vorn und sah ihn durchdringend an. »Der Beistand der Götter wäre sicher von Vorteil für uns, aber er wird unseren Kriegern keine Flügel verleihen. Ihr aber könntet das. Ich habe Euer Volk als furchtlos und ehrenvoll kennengelernt und kann mir nicht vorstellen, dass Ihr uns jetzt in unserer Not Eure Hilfe verweigert.«
Ausdruckslos wie immer erklärte der Führer der Echsen: »Wir sind Jäger, meine Königin, keine Krieger. Wir nahmen auf den Beschluss der großen Versammlung hin an der Schlacht teil, um die Ausbreitung des Schattens zu verhindern. Das ist geschehen. Die Nebelfrauen waren und sind nicht unsere Feinde. Wir werden nicht gegen sie kämpfen.«
Canon und Derea sahen sich an und zuckten die Achseln. Sie hatten mit nichts anderem gerechnet, aber ihre Mutter gab nicht so schnell auf. »Das wahre Übel ist doch die Quelle, Pthameni. Camora bediente sich ihrer Macht, um die abscheulichsten Verbrechen zu begehen. Denkt nur an die grausam gezüchteten Schattenkrieger. Und jetzt wollen es die Nebelpriesterinnen ihm gleichtun. Auch ihnen geht es dabei nur um Macht. Eure Schlacht wird vergebens gewesen sein, Eure Stammesbrüder werden für nichts gestorben sein, wenn Ihr uns jetzt den Rücken kehrt.«
»Es ist nicht verwerflich, nach Macht zu streben. Verwerflich kann nur sein, was man mit ihr anfängt. Camora hat den falschen Weg gewählt. Wir werden sehen, zu welchem Zweck die große Königin Ayala die Macht der Quelle nutzen wird. Erst dann werden wir neu beschließen.«
Morwena fuhr ihr letztes Geschütz auf. »Ihr seid dem gefolgt, der die Eisklinge führt. Wollt Ihr ihn jetzt dem sicheren Tod überantworten?«, fragte sie mit leiser, eindringlicher Stimme, wobei sie keinen Blick von ihm ließ.
»Er hat den Schatten vernichtet und gab sich dann
Weitere Kostenlose Bücher