Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]
zeigte auf Ayalas Herz.
Margas Hände verkrampften sich. Sollte sie auf das vereinbarte Stichwort der Prinzessin warten? Die Gelegenheit war da.
Plötzlich wurde ihr Bogen glühend heiß und ging in Flammen auf. Mit einem Aufschrei ließ sie ihn fallen und wurde schon im nächsten Augenblick von einer unsichtbaren Hand zu Boden gerissen. Verzweifelt versuchte sie, an ihr Schwert zu kommen, aber mitten in der Bewegung versagten ihre Hände ihren Dienst und blieben wie zu Eis erstarrt in der Luft hängen.
Eine ältere Priesterin, die aus dem Nichts gekommen zu sein schien, lächelte genussvoll auf sie herunter und rief: »Ich habe einen Eindringling erwischt, meine Königin. Soll ich ihn töten oder zu Euch bringen?«
»Ich empfange heute keinen weiteren Besuch. Schaff ihn uns vom Hals und komm dann zu mir. Dieses Gerede geht mir allmählich auf die Nerven«, kam aus der Höhle.
Das Lächeln der Nebelfrau wurde noch breiter, als sie Marga wieder ansah. »Ja, meine Liebe, ich bedaure, aber …«
Sie brach ab und griff sich mit einem Ächzen an den Hals.
Die Hauptmännin sah erleichtert und ungläubig zugleich in Junas Gesicht.
Die flüsterte ihrem sich windenden und schnell rot und blau anlaufenden Opfer gerade zu: »Ihr seht sehr ungesund aus, aber im Alter hat man hin und wieder Schwierigkeiten mit der Luft, nicht wahr?«
Die Priesterin brach zusammen, und die Hexe erklärte: »Das ging unerwartet schnell. Ziemlich zartbesaitet, diese Nebelfrauen!«
»Redet nicht, helft endlich Marga«, forderte Derea, der mit gezücktem Schwert hinter ihr auftauchte, im Flüsterton.
Juna strich nur kurz über Margas Gesicht, und deren Starre verschwand.
»Hallo, Hauptmann«, flötete Juna leise und zwinkerte ihr zu.
»Hallo«, würgte die benommen hervor und rappelte sich mühsam hoch.
Derea packte die Hexentochter am Arm und wollte etwas sagen, aber die nickte ihm schon ungeduldig zu. »Ist ja gut, ich geh ja schon. Ihr beide bleibt besser hier. Wir können nicht auf noch mehr Leute aufpassen. Und lasst Euch nicht von Nebelfrauen umbringen.« Ein leises Glucksen, und sie schritt schnell, aber würdevoll in die Höhle.
Caitlin hatte trotz angestrengten Lauschens nicht ergründen können, was gerade im Gang vor sich gegangen war, aber sie ahnte Fürchterliches, sah jetzt Ayalas Strahlen, und ihr Herz wurde schwer.
»Dieser Tag bringt allerlei Überraschungen, meine Tochter der Nacht«, bemerkte die hocherfreut.
Dann wurde ihre Stimme leicht vorwurfsvoll. »Juna, ich bin ein bisschen enttäuscht von dir. Die Schlacht verlief ein wenig anders, als von dir geschildert, aber du wirst sicherlich gute Gründe für dein Versagen haben. So hatte ich es zwar nicht geplant, aber du darfst jetzt deinen Zauber über Caitlin anwenden. Ich bin das Warten leid.«
Während Caitlin fassungslos von der einen zur anderen sah und nur noch an elenden Verrat denken konnte, zog Juna die Achseln hoch und erklärte mit einem Lächeln: »Also, das ist mir jetzt tatsächlich unangenehm, aber ich habe gar keinen Zauber über sie gelegt. Hab ich wohl vergessen.«
»Dann töte sie eben so!«, forderte Ayala ungehalten.
Die Prinzessin warf ihrem Mann einen entsetzten Blick zu, weil ihr sofort klarwurde, dass sie nicht gegen beide kämpfen und ihn schützen konnte, und er schüttelte nur den Kopf und bat tonlos: »Bitte, Caitlin, flieh! Flieh, bevor es zu spät ist!«
Die Nebelkönigin lachte auf. »Dummkopf! Es ist bereits zu spät. Juna, jetzt mach doch! Ich kann dieses Gewinsel nicht mehr hören.«
»Ich betrübe dich so ungern, Patentante, aber du kennst mich ja. Ich ändere dauernd meine Meinung, und ich habe sie schon wieder geändert. Ich fürchte, ich kann dir nicht zu Diensten sein.«
Sie sah die wie erstarrt wirkende Prinzessin an. »Vertraut mir, Caitlin, und handelt! Ich habe die Klingen.«
Alle drei starrten die Hexentochter ungläubig und verblüfft an.
Die zog nur mit einem halb verlegenen, halb belustigten Lächeln die Schultern hoch. »So bin ich nun einmal.«
»Du willst mich verraten?«, keuchte Ayala fassungslos. »Du willst auf ihre Seite wechseln?«
Juna lachte kehlig. »Nein! Ich habe nie die Seiten gewechselt, ich stand immer nur auf meiner Seite.«
»Solltest du etwas gefunden haben, das kostbarer als Unsterblichkeit ist?«, wollte Ayala wissen.
»Ich glaube: Ja!« Sie wandte sich zu Caitlin um. »Macht schon, Prinzessin! Die Dinger sind schwer, wie Ihr wisst.«
Die warf Rhonan einen hektischen Blick zu und
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