Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Titel: Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
Vom Netzwerk:
gerade? Ich glaubte, Ihr wolltet den Prinzen lebend in die Hände bekommen!«
    Juna wippte mit dem Stuhl, um an eine Schale mit Nüssen, die schräg hinter ihr auf einem Tisch stand, zu kommen, und lachte auf. »Er lebt doch auch noch!«
    Ja, weil Caitlin ihm geholfen hat, dachte Hylia, behielt diesen Gedanken aber für sich. Sie war maßlos erstaunt gewesen, die Anwesenheit der Nebelprinzessin zu spüren. Hatte sie sie doch tot geglaubt. Eine unglaubliche Freude hatte sie durchflutet, aber wie, im Namen der Göttin, kam Caitlin ins Wintergebirge?
    »Was ist? Ihr wirkt so nachdenklich«, bemerkte Juna und knabberte an einer Nuss.
    »Ich bin es nicht gewöhnt, dass man unschuldige Menschen zu Tode foltert und andere nur zum Vergnügen quält«, erklärte Hylia. »Ich werde schlafen gehen. Zurzeit benötigt Ihr mich ja wohl nicht. Nur eins möchte ich Euch noch sagen: Ich habe die Anweisung, Euch zu unterstützen. Ginge es nach mir, wäre ich nicht hier. Eure Vorgehensweise widert mich an.«
    Juna pruste durch die Nase. »Sagt ausgerechnet eine Frau von der Nebelinsel! Zimperlich wart ihr doch nie.«
    Das Gesicht der Priesterin blieb ausdruckslos. »Es ist ein Unterschied, ob man Gewalt zur Durchsetzung höherer Ziele anwenden muss oder ob man es zum Vergnügen tut. Dieses Talermädchen konnte Euch überhaupt nichts Wissenswertes erzählen, trotzdem habt Ihr es getötet, nur so zum Spaß! Der Seher hätte auch nicht sterben müssen, und den Prinzen wollten wir aufspüren, mehr nicht! Ich empfinde Abscheu über Eure Vorgehensweise.«
    Diesmal lächelte Maluchs Ziehtochter nicht. Die blauen Augen blitzten. »Meint Ihr nicht, Ihr seid ein wenig unvorsichtig? Ich könnte schließlich auf den Gedanken kommen, Euch nicht mehr zu benötigen, jetzt da ich dort bin, wo ich hinwollte, und weiß, dass der Prinz noch dort ist, wo wir ihn vermuteten.«
    Hylia hielt Junas Blick ungerührt stand. »Spart Euch Eure Drohungen! Ich fürchte mich nicht vor Euch, und Ihr solltet bedenken: Ich kenne Eure Macht sehr wohl, aber Ihr kennt meine Fähigkeiten nicht einmal zur Hälfte. Ich bin durch die Weisung meiner Königin an Euch gebunden und werde Euren Wünschen daher nachkommen müssen, aber ich muss nicht so tun, als ob mir das gefiele. Ich verabscheue Euch, Juna. Sollte ich einmal von Eurem Ableben erfahren, werde ich den Göttern ein Opfer darbringen. Habt Ihr noch Wünsche, oder kann ich mich zurückziehen?«
    Kerzengerade stand sie in ihrem schlichten, weißen Gewand da und strahlte Ruhe und Gelassenheit aus.
    Juna unterdrückte ihre Rachegelüste, da sie in der Tat nicht wusste, wie stark die Priesterin wirklich war. Im Gegensatz zu Hylia wirkte sie keinesfalls gelassen, als sie fauchte: »Ihr könnt gehen!« Ihr Gesicht war weiß vor Wut.
    Hylia verließ das Zimmer, spürte ihre weichen Knie und schloss erleichtert die Augen. Sie war zu weit gegangen und musste sich in Zukunft besser beherrschen, denn auf ein Kräftemessen mit Juna wollte sie es nicht ankommen lassen. Entgegen ihrer kühnen Behauptung war sie sich nämlich ziemlich sicher, zu unterliegen. Froh, niemandem zu begegnen, suchte sie ihr Zimmer auf. Eine dicke Kerze erhellte den kalten Raum. Sie ging zum Fenster und lächelte erfreut, als sie ihr Bett passierte. Die Hitze einer Wärmpfanne strahlte von dort aus. Es lohnte sich immer, freundlich zu den Zimmermädchen zu sein.
    Sie stieß die Fensterläden auf, um noch einmal frische Luft einzuatmen. Obwohl eisige Luft sie frösteln und sich ihre Arme reiben ließ, schaute sie gedankenverloren auf das schneebedeckte Kairan.
    Tagsüber brodelte es in der Stadt. Händler und Kunden feilschten um Preise, die Spione von Vater Ligurius, die Wolfsjäger und die Hordenkrieger traten sich in ihrem Eifer auf die Füße und kontrollierten jede Straße, jedes Haus und jeden Mann, aber jetzt war Ruhe eingekehrt. Die örtlichen Stadtwachen hatten das Kommando und hielten nach Gesindel Ausschau und nicht nach einem blonden, grünäugigen Prinzen.
    Hylia liebte diese Zeit zwischen der Mühsal des Tages und dem Schlaf der Nacht, diese Zeit der ruhigen Besinnung. Lange stand sie am Fenster und dachte über ihre Aufgabe und die Erkenntnisse der letzten Tage nach.
    Sie musste Ayala mitteilen, dass deren Tochter wider Erwarten noch lebte, aber sie versuchte nicht, eine Verbindung herzustellen. Schließlich ging es nicht darum, eine verzweifelte Mutter zu trösten. Die Tatsache, dass Caitlin sich auch noch an der Seite des Prinzen befand,

Weitere Kostenlose Bücher