Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte
ganz, ganz, ganz rechts hinten in ganz rechts hinten und stellten uns mit Sack und Pack unter eins dieser Schattenspender.
Für den Nichtcamper hört sich »Wir änderten also unseren Standort …« vermutlich recht einfach an. Aber das ist es mitnichten, auch dann nicht, wenn wir das Abbrechen des Lagers an der alten Position nicht mit einrechnen. Nein, das tatsächliche Drama war der elende Aufbau und die besondere Bewandtnis der Kombination VW-Bus und Vorzelt, katalysiert durch väterlichen Perfektionsanspruch.
Zuerst einmal wurde der Bus an die richtige Stelle manövriert. Hier war mein Vater schon so penibel auf die perfekte Parallelität von Bus und Felswand bedacht, dass wir uns aufgrund von Lärm- und Abgasbelästigung bald die ersten bösen Blicke der anderen Camper einfingen. Das ließ meinen geschäftig kurbelnden Vater im Führerstand des Hippiemobils aber ebenso kalt wie das Fehlen einer Servolenkung. Er schwitzte und fluchte und ruckelte den Wagen dabei immer wieder vor, zurück, vor, zurück, bis endlich ein möglichst ausgeglichener Zustand erreicht war, der nun nur noch marginal optimiert werden musste. Bitte hier Seufzer einsetzen. Zusätzlich zur Pedanterie meines Vaters ist es nämlich mehr als essenziell, dass Wohnwagen oder Campingmobil hundertprozentig gerade stehen. Nicht nur der Schlafkomfort wird hierdurch positiv beeinflusst, nein, tatsächlich hängt auch das Funktionieren des Kühlschranks aufgrund des Kreislaufs der Kühlflüssigkeit entscheidend davon ab.
Da wir eher selten bis gar nicht auf wasserwaagenplanen Teerflächen campierten, sondern eher auf dem Gegenteil, wurden nun erst einmal Steine gesammelt. Ja, da haben Sie richtig gelesen: Wir sammelten einen Haufen flacher Steine und arrangierten sie dann so kunstvoll hinter den vier Reifen auf, dass die Steinhaufen eine kleine Rampe mit anschließender Plattform bildeten, auf die mein Vater dann mit der ihm gegebenen Präzision hinauffuhr. Diese Marginalität zog sich dann je nach Eignung des Untergrunds noch einmal ein knappes Stündchen hin.
Nicht immer hielten die kleinen Kunstwerke dem Gewicht stand.
Nicht immer waren sie in der richtigen Höhe, um den VW-Bus optimal zu begradigen.
Nicht immer waren die Steine selbst der Last gewachsen.
Aber immer dauerte es.
In späteren Zeiten führte mein Vater immerhin ein entsprechend dimensioniertes Arsenal an Holzkeilen mit sich. Aber das ersparte uns nur das Steinesuchen. Schließlich reagiert steiniger oder erdig-morastiger Boden auf die Belastung durch VW-Bus auf welchen geschichteten Elementen auch immer. Und auch die Keile hatten ihre Tücken, denn in Zeiten vor ABS und Anti-Drift tendierten sie auch gern mal zur Geschosswerdung. So manches gut gemeinte Sonnendach wurde in den Jahren durchlöchert, und wir konnten nur froh sein, dass keiner von den Keilen jemals in die Steilwand einschlug, um uns unter einer Schiefersteinlawine zu begraben. Obwohl es auch Urlaube gab, wo ich das vielleicht sogar vorgezogen hätte.
Nach stundenlangem Rangieren, Gefluche, Unterlegen und noch mehr Gefluche stand dann also der elende Bus endlich so gerade, dass sogar die mitgeführte Wasserwaage nur noch anerkennend nicken konnte. Dafür hatten wir uns alle anderen Camper innerhalb erschreckend kurzer Zeit zu Feinden gemacht, aber meinem Vater war das egal. Sollte es tatsächlich zu notwendigen oder zufälligen sozialen Kontakten kommen, würde er die Leute mit ein paar Spinnenwitzen über Mami so gut unterhalten, dass sie ab sofort zu seinen besten Freunden zählten.
Aber die optimale Ausrichtung des VW-Busses bedeutete keinesfalls, dass die Zirkusveranstaltung nun ein Ende hatte, oh nein. Jetzt wurden erst einmal die Clowns in die Manege geschickt, um alle ein bisschen aufzulockern, denn danach ging es ums Vorzelt …
Das Vorzelt zur Hölle
I ch will Sie nicht mit der phantastillionsten Variation von Zeltaufbau-Geschichten langweilen und mir darum Mühe geben, nur die Besonderheiten unseres Modells in möglichst abfälliger Weise zu beschreiben. Vorab sei gesagt: Unser Vorzelt war ein günstiger Gebrauchtkauf, und ich argwöhne, dass der Vorbesitzer es loswerden wollte, um keinen Mord zu begehen.
Es galt zuallererst, vier vierarmige Eckwinkel, zwei dreiarmige Seitenwinkel und das eine vierarmige Kreuz so auf dem Boden anzuordnen, dass die zwei Winkel mit der leichten Schräge an einem der Arme bei der Stirnseite des Zeltes lagen und die geraderen Winkel hinten. Denn die Front des
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