Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte
patschnass bis auf die Knochen das eine Scheißding auf das andere Scheißding quetschte.
Es gibt Aufgaben, an denen man wächst. Man weiß, man hat etwas Großes geschafft, man wird sich in ähnlichen Situationen immer wieder daran zurückerinnern, wie man damals über sich selbst hinauswuchs und das Unmögliche fertigbrachte, und erzählt es noch seinen Kindeskindern. Bei oben beschriebener Aufgabe jedoch ist das nicht der Fall, denn kaum etwas klingt bedeutungsloser als das »Bezwingen der Plastiknut eines Vorzelts«. Umso erstaunlicher, dass es in meinen Erinnerungen einen so exponierten Platz einnimmt. Ich verfluche hiermit ganz ausdrücklich den Entwickler dieser Zeltkonstruktion und wünsche ihm, dass er in einer eigens geschaffenen Vorzelt-Konstrukteurs-Hölle bis in alle Ewigkeit schräge Winkel mit einer Plastiknut an einer scharfkantigen Dachrinne befestigen muss, während ihm all die ehemaligen Käufer seines Fiebertraums von einem Vorzelt aus bequemen Liegestühlen dabei zusehen und ihn mit den Früchten aus ihren Cocktails bewerfen. Ich hasse dich.
Teppich, Teheppich ühüber ahalles …
… ühüber ahallehes in dem Zelt. Erwähnenswert erscheint mir auch die Teppich- und Matten-Manie meines Vaters. Ich weiß nicht, ob das alle Camper so machen oder ob mein Vater nur einen seltsamen Fetisch auslebte. Fakt ist, dass wir immer Bodenunterlagen in unverhältnismäßigen Mengen mit uns führten. Hier der Grund dafür, mitsamt einzuhaltender Reihenfolge und Funktionen der Schichten im Einzelnen, wie mein Vater es mir darlegte:
1.Stabile Plastikfolie
Diese Folie wurde unter dem Zelt plaziert, um es vor Beschädigungen zu schützen. Die Folie war sehr dick und auch entsprechend starr. Aber sie hielt in allen unseren Urlauben als Unterlage unbeschadet durch. Einzig die Farbe änderte sich mit den Jahren von durchsichtig auf »irgendwas Gelbes«.
2.Der Boden des Zelts
Auf obige Folie wurde das Zelt selbst mit seinem eigenen, im Übrigen ebenfalls sehr stabilen grauen Plastikboden gestellt.
3.Ploppfolie
Das allseits beliebte und bekannte Verpackungsmaterial mit den süchtig machenden Luftbläschen wurde mit selbigen nach unten passgenau in das Vorzelt geschnitten. Das hatte den Sinn, Feuchtigkeitsbildung unter der nächsten Schicht zu reduzieren. Nächste Schicht? Oh ja, und zwar …
4.Grüner Moosgummi-Teppich
Der wurde wiederum auf die Ploppfolie gelegt. Das hatte zum einen ästhetische und zum anderen sensorische und hygienische Gründe. Es lief sich besser auf Moosgummi als auf Ploppfolie, es sah wohnlicher aus und absorbierte angeblich den Fußschweiß. Doch damit nicht genug, da war ja noch …
5.Beige gemusterter Moosgummi-Läufer
Dieser Teppich wurde wie eine Straße vom Zelteingang zum VW-Bus gelegt. Er hatte laut meinem Vater den Sinn, erstens nicht so viel Dreck ins Auto mitzuschleppen, und zweitens hatte er diesen Teppich eh dabei, weil er damit die Gasflaschen auf dem Dachständer unkenntlich gemacht hatte. Da man aber auf einer beigen Unterlage den Dreck so schnell sah, half hier nur …
6.Grauer Moosgummi-Teppich
Der befand sich doppelt gelegt vor dem Zelt am Eingang und diente dazu, den gröbsten Schmutz aufzunehmen, damit der beige Läufer im Inneren nicht so viel von dem Schmutz abbekam, den er eigentlich aufnehmen sollte, um das Auto davor zu bewahren … Ich würde jetzt gerne schreien.
So, und jetzt würde ich wirklich gerne wissen, ob nur wir mit dieser Vielzahl an Unterlagen gesegnet waren oder ob die tatsächlich nötig sind. Ich hatte auf jeden Fall nicht den Eindruck, dass es uns bei der Endreinigung vor dem Zusammenpacken auch nur einen einzigen Handstrich ersparte. Für mich waren es einfach nur zusätzliche Quadratmeter, die es zu entschnecken galt. Doch zurück zum Aufbau. Zu guter Letzt wurde das Zelt mit folgenden Dingen bestückt:
1. Eine Sonnenliege
Unter diese wurde Zeug gestopft, so dass man nicht wirklich bequem drauf liegen konnte. Sie diente in der Tat vorrangig als Stauraum und nur nachrangig als mein Schlafplatz, wenn ich aus irgendwelchen Gründen nicht in meinem hundehüttenartigen Aldizelt schlafen wollte.
2.Ein Campingklo
Dieses chemiebasierte sogenannte Kassetten-Klosett war mehr als einmal Gegenstand wildester Diskussionen. Mein Vater weigerte sich nämlich all die Jahre strickt, mir die Benutzung zu gestatten. Das muss man sich mal vorstellen! Wir schleppten dieses blöde Ding in jeden Urlaub mit bis ans nächste Ende der Welt, stellten es ins
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