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Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Titel: Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Krappweis
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einmal mein Vater.

    Der Blick, den meine Mutter ihm kredenzte, blieb mir vom Rücksitz aus leider verborgen, aber er hatte mich selbst oft genug getroffen, und so wusste ich, wie es in etwa ausgesehen haben musste. Ich bekam diesen Blick immer dann ab, wenn Mami mal wieder recht behalten hatte und mich das auch spüren lassen wollte. Sie lächelte dann zwar, aber es war kein richtiges Lächeln, denn die Augen lächelten nicht mit. Es wirkte auf eine maskenhafte Art eiskalt und gleichzeitig äußerst … na ja, triumphal. So blieb sie dann ein paar Sekunden und nagelte einen auf der Stelle fest, bis sie schließlich ganz leicht mit dem Kopf nickte, was wohl so etwas bedeutete wie »Jaja, aber du weißt ja immer alles besser …«. Dann erst drehte sie sich weg und entließ einen in die scheinbare Freiheit, sich jetzt ein paar Stunden lang wie ein Idiot zu fühlen.
    Wie auch immer, Mamis Blick veranlasste meinen Vater nun dazu, schweigend den Schuh anzuziehen, einzusteigen und wortlos den Motor zu starten. Den Rest der Fahrt legten die beiden in Stille zurück, nur unterbrochen von Pumuckls gelegentlichem Jauchzen aus meinem Kassettenrekorder. Die Spinne sahen wir nie mehr wieder. Sie kam nicht mehr zurück, und das, obwohl sie ja doch drei Wochen lang mit uns gewohnt hatte. Vielleicht waren auch ihr die Spinnenwitze irgendwann auf die Nerven gegangen. So hatten die am Ende doch was Gutes.

Endlich ein uriger Platz
    W enn wir lange genug über staubige Straßen geholpert, auf Parkplätzen genächtigt und mit der ein oder anderen Fähre hin und her übergesetzt hatten, war auch mein Vater irgendwann davon überzeugt, lange genug nach dem idealen Zeltplatz gesucht zu haben. Und so fällte er zumeist am vierten Tag unserer Urlaubsreise eine Entscheidung. Hurra.
    Wie es zugehen konnte, dass wir ausgerechnet an diesem Tag meistens genau den Platz fanden, der meinen Vater in Begeisterungsstürme eruptieren ließ, kann ich nicht sagen. Fakt ist, dass er so am frühen Nachmittag des vierten Tages plötzlich in eine Straße einbog und schnurstracks aufs Meer zusteuerte. Wenn es kein offizieller Campingplatz war, bremste er erst kurz bevor die Reifen feucht wurden, setzte noch einmal ein Stück zurück, damit uns die Flut nicht überraschte, und da waren wir dann.
    Wenn es sich um einen Campingplatz handelte, war das Ganze schon komplexer. Dann wurde entweder irgendwo am Eingang geparkt, um zu Fuß die Standplatz-Optionen zu eruieren, oder wir fuhren in Schrittgeschwindigkeit mit dem Bus an den Parzellen vorbei, bis wir einen schönen Fleck gefunden hatten beziehungsweisebeziehungsweise einen Fleck, den mein Vater als solchen bezeichnete. Das unterschied sich teils extrem von dem, was ich als idealen Standplatz ausgesucht hätte. Mal abgesehen davon, dass mein idealer Standplatz für unseren Bus die Garage zu Hause war oder wenigstens der Parkplatz vor einem Hotel, hätte ich unsere Hippieschüssel am liebsten in der Nähe der sanitären Anlagen geparkt. Nicht so nah, dass man sie riechen konnte, aber doch so, dass man sich den täglich mehrfachen Gewaltmarsch sparte.
    Denn abgesehen von Notdurft und Körperhygiene wurde ja auch dauernd am Tag abgespült, und es mussten etliche Gallonen Brauchwasser herbeigeschleppt werden, damit meine Mutter nach jedem Bad im Meer duschen konnte. Das war durchaus nachvollziehbar, denn seltsamerweise vertrug ihre Haut das Meerwasser nicht so recht oder zumindest nicht in Verbindung mit den Sonnenstrahlen. Warum wir dann trotzdem immer ans Meer fuhren und nicht zum nächsten Hotel mit Badelandschaft, wird mir immer ein Rätsel bleiben. Wie dem auch sei, wenn ich schon gezwungen war, mich auf einem Campingplatz aufzuhalten, dann doch bitte nicht allzu weit entfernt von der (wenngleich kargen) Infrastruktur.
    Mein Vater sah das anders. Natürlich. Denn mein Vater war gerne ungestört, und das galt auch für Campingplätze. Dass das ein Widerspruch in sich war, focht ihn nicht an. Wir wählten grundsätzlich entweder einen Platz ganz, ganz, ganz links oder rechts vorne oder ganz, ganz, ganz links beziehungsweise rechts hinten in der allerallerletzten Reihe. Wir standen nie in der Mitte, also da wo vielleicht der kleine Shop war, der Aufblastierchen und Micky-Maus-Hefte in fremder Sprache feilbot. Denn rund um dieses Mekka der überschaubaren Verheißung hatten sich ja bereits die anderen Camper angesiedelt und genossen weidlich die Nähe zu Kaltgetränken und Wassereis. Nein, wir standen immer an

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