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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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den Ägypter, der blutend am Boden lag. Ich konnte nicht erkennen, ob er noch lebte.
    »Was wollen Sie hier?« fragte Onkel Jean. »Hier soll ein Gelehrter wohnen, der viele Bücher hat. Die wären in der Bibliothek des Instituts von Ägypten besser aufgehoben, haben wir uns gedacht. Schließlich sind wir jetzt die Herren im Land. Außerdem wird das Institut sich im Gegenzug sicher großzügig zeigen.«
    »Das glaube ich nicht!« schnarrte mein Onkel. »Ich bin Jean Cordelier, ich gehöre dem Institut von Ägypten an.«
    Eine leichte Unsicherheit flackerte in den Augen des Korporals auf.
    »Das Institut kauft Bücher, aber es stiehlt sie nicht«, fuhr Onkel Jean fort. »Und wir Franzosen sind nicht in dieses Land gekommen, um die Ägypter zu unterdrük-ken und auszurauben, sondern um sie von der Mameluckenherrschaft zu befreien. Ihr Verhalten, Korporal, ist mehr als schändlich, geradezu verbrecherisch. Wir leben in Frieden mit den Kairoern, aber Sie und Ihre Männer gefährden diesen Frieden. Wenn Sie nicht augenblicklich von hier verschwinden, werde ich Ihr Verhalten General Bonaparte melden!«
    Dem Korporal war deutlich anzusehen, wie es in ihm arbeitete. Die Muskeln zuckten, und die Kiefer mahlten heftig, während er sich die Worte meines Onkels durch den Kopf gehen ließ.
    Seine Männer und er würden, wenn sie meinem Onkel gehorchten, um eine fette Beute gebracht werden.
    Gehorchten sie aber nicht, mochte statt der erhofften Belohnung ein Exekutionskommando auf sie warten.
    Ein weiterer Trupp Soldaten eilte herbei, und ich be-fürchtete schon, der Korporal und seine Bande von Plünderern könnten Verstärkung erhalten. Aber dann erkannte ich unseren wackeren Sergeant Kalfan an der Spitze eines halben Dutzends Grenadiere.
    Sie nahmen neben Onkel Jean und mir Aufstellung, und Kalfan fragte: »Worum geht es hier, Professor Cordelier?«

    »Nur um ein Mißverständnis, hoffe ich«, sagte mein Onkel energisch und fixierte den Korporal. »Die Kameraden von der leichten Infanterie wollten sich ohnehin gerade verabschieden. Nicht wahr, meine Herren?«
    Zögernd antwortete der Korporal: »Jawohl, das wollten wir.«
    Kaum hatte er mit seinen Männern das Grundstück verlassen, ließen sich ein paar der Ägypter neben dem am Boden liegenden Mann nieder und drehten ihn so weit herum, daß auch ich sein Gesicht sehen konnte. Er war jung, noch keine zwanzig Jahre alt, und er atmete.
    Aber über der Brust war sein Gewand rot von Blut.
    »Das sieht schlimm aus«, sagte Kalfan, der in seinem langen Soldatenleben schon viele Verwundete gesehen hatte. Onkel Jean nickte. »Sergeant, schicken Sie sofort einen Boten zu Ihrem Regimentsarzt! Ich bitte ihn, um-gehend herzukommen und sich des Verwundeten anzu-nehmen.« Kalfan war verblüfft. »Aber, Herr Professor, ich weiß nicht ob er wegen eines … eines …«
    »Ein Mensch ist schwer verwundet, und die Schuld daran trägt ein Schandexemplar von einem französischen Soldaten«, erklärte mein Onkel. »Also sollte die Sache auch durch einen französischen Soldaten in Ordnung gebracht werden. Der Bote soll dem Regimentsarzt ausrichten, daß er mir mit seinem baldigen Erscheinen einen großen Gefallen täte!«
    »Jawohl«, antwortete Kalfan knapp und schickte einen seiner Soldaten mit der Botschaft zum Regiments-stab.
    Unterdessen war in der Haustür ein Mann in einem vornehm bestickten Gewand erschienen, und ich erkannte sofort Maruf ibn Saad.
    »Als Herr dieses Hauses bin ich Ihnen für Ihre Hilfe zu Dank verpflichtet, Monsieur«, sagte er in einem Französisch, das zwar mit einem starken Akzent behaf-tet, ansonsten aber fehlerlos war. »Mein Name ist Maruf ibn Saad, und mein Haus ist das Ihre, wann immer Sie es wünschen.« Er wandte sich seinen Bediensteten zu und wies sie in seiner Muttersprache an, den Verwundeten vorsichtig ins Haus zu bringen, bevor er sich wieder meinem Onkel zuwandte. »Ich würde Sie gern sofort in mein Haus bitten, aber vielleicht sollten wir erst den Besuch des Arztes abwarten und Ruhe einkeh-ren lassen. Darf ich Sie und Ihren Neffen für morgen vormittag zum Kaffee einladen?«
    »Gern«, antwortete Onkel Jean und verbeugte sich.
    »Aber woher wissen Sie, daß dieser junge Mann mein Neffe ist?« Der Ägypter lächelte. »Wir sind Nachbarn, oder?«
    Nachdem wir uns von Maruf ibn Saad verabschiedet hatten, sagte mein Onkel zu Kalfan: »Sie und Ihre Männer sind gerade im rechten Augenblick aufgetaucht. Wie kommt es, daß Sie so schnell hier waren?«
    »Ich

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