Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent
nutzte die Hand, um ihr die Wange zu streicheln, mit dem Gefühl, als hätte ich sie tagelang nicht gesehen. Auf der anderen Seite des Feuers tat Kelver das gleiche bei Seidenhand und lächelte in anteilnehmender Zuneigung über die züngelnden Flammen zu mir herüber. Queynt unterhielt sich mit den Krylobos und befreite sie von ihrem Geschirr, um uns verlassen zu können. Sie stelzten über die Hochebene von dannen in die Nacht hinein und stießen ein krächzendes Trompeten aus. »Sie mögen diejenigen nicht, die sich von den Schattenmenschen ernähren«, sagte Queynt. »Sie werden einige Krylobos und Gnarlibare zu unserer Unterstützung holen. Ich erwarte nicht zu viel davon, aber sie werden sich besser fühlen, weil sie es versucht haben. Ich wollte, es gäbe Eesties in der Nähe, obwohl diese sich wahrscheinlich weigern würden, sich einzumischen …«
Dorn erzählte, wie er Knochen zur Ruhe brachte, die ein anderer gerufen hatte, und noch mehr Geschichten aus längst vergangenen Zeiten. Einige von ihnen, da war ich mir sicher, waren nicht dazu gedacht, für bare Münze genommen zu werden, sondern nur zur Unterhaltung, und manche waren spaßig genug, daß wir darüber lachen konnten, trotz der Notlage, in der wir uns befanden. Dann übernahm Trandilar das Erzählen. Ihre Geschichten handelten von Pracht und Romantik, von unsterblicher Liebe, und sie warf ihre ganze Betörung auf uns, so daß wir die Knochen aus dem Höllenschlund und Huld ebenso vergaßen wie die kalte Ödnis der Hochlandes – und eine Zeitlang in Städten und Ländern lebten, von denen wir niemals geträumt hatten. Und die ganze Zeit über reichten Sorah und Wafnor Essen herum, ohne etwas davon aufzusparen. Sie dachten vermutlich, daß wir am nächsten Tag zu beschäftigt zum Essen und froh über jeden Bissen sein würden, den wir am Abend zuvor zu uns genommen hatten. So waren wir alle wohlgesättigt und von Trandilar so betört, daß die Gefahr unseren Gedanken entschwand und wir alle ruhig und ausgeglichen wie an einem Sommertag wurden und, in unsere Decken gewickelt und nah beieinanderliegend, langsam in den Schlummer hinüberglitten. Ich glaube, Trandilar schritt die ganze Nacht über durch unsere Reihen und flüsterte sanfte Worte, die uns angenehme Träume schenkten, denn als wir morgens erwachten, hatten wir das Gefühl glücklicher Erfüllung und Mut für den kommenden Tag. Nun war es Barish, der die Becher herumgehen ließ, doch ich bemerkte, wie er die Kräuter darin vorher in den umliegenden Felsspalten suchte, und die Art, wie er sie sortierte und sich darüber beugte, die Art, wie er sie zerrieb und sich unter die Nase hielt, war ganz die Windlows. Das Gebräu schmeckte heiß und bitter, aber es verlieh uns eine geradezu übernatürliche Wachsamkeit. Wir waren gerade damit fertig, als Hafnor zurückkehrte, um uns mitzuteilen, daß die Wirklichkeit unsere schlimmsten Befürchtungen übertraf.
»Dieser Huld, den du dir so wirkungsvoll zum Feind gemacht hast, muß bereits seit Generationen nekromantische Talente unter seiner Gefolgschaft versammeln. Er hat auch jede Menge Magier und ein solch großes Heer von Knochen und Leichnamen, daß die Welt darunter ersticken könnte. Es erstreckt sich von Horizont zu Horizont, über die Kante des Hochlands zu der Schlucht des Grauwassers bis zum Tal des Flusses Reave.«
»Was ist mit den Spielern in diesem Heer der Knochen?« fragte Jinian. »Die Talente, die gegen die Toten nichts ausrichten könnten, könnten doch gegen diese Spieler eingesetzt werden.«
»Falls man zu ihnen durchdringt«, erwiderte Hafnor. »Ihr müßt es einfach mit eigenen Augen sehen. Die Spieler innerhalb dieses Heeres von Knochen sind wie ein Zeller, der in der Mitte eines wogenden Weizenfeldes steht. Ihr könnt nicht zu ihnen vordringen, bevor ihr nicht alles weggesichelt habt, was sich davor befindet.«
»Ich habe Schluchten voll mit Buschwerk entdeckt«, bot sich Buinel an. Er war doch nicht ganz so eine Plage, wie ich mir vorgestellt hatte, zwar immer noch reichlich umständlich und mit Fragen der Verfahrensweise beschäftigt, schien er aber doch die Gefahr, die uns drohte, begriffen zu haben und bemühte sich, vernünftige Vorschläge zu machen. »Wenn die Knochen sie überqueren wollen, werden sie ein Flammenmeer vorfinden.«
»Und ich werde versuchen, Huld inmitten dieser Knochenarmee herauszufinden«, erklärte Tamor. »Er kommt von Norden, das heißt, ich kann ihm mit der Sonne im Rücken entgegenkommen.
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