Das wandernde Feuer
zu werden. Paul hob ihn sich auf die Schultern und trabte und hüpfte ein Stück des Weges mit ihm dahin. Dari lachte zum ersten Mal. Er hatte ein reizendes Lachen, das eines Kindes. Nachdem Vae ihm zu essen gegeben hatte, verschlief er den größten Teil des Nachmittags. Auch am Abend verhielt er sich still. Zur Zeit des Abendessens deckte Vae, ohne zu fragen, für drei Personen. Sie sprach kaum etwas; ihre Augen waren gerötet, doch Paul sah sie nicht weinen. Danach, als die Sonne unterging, entzündete sie die Kerzen und kümmerte sich um das Feuer. Paul legte das Kind zum Schlafen ins Bett und brachte es mit Schattenfiguren an der Wand noch einmal zum Lachen, ehe er die Vorhänge um das Bett herum zuzog.
Dann teilte er Vae mit, was er zu tun beschlossen hatte, und nach einer Weile fing sie an, leise von Finn zu erzählen. Er hörte zu und sagte nichts. Nach einiger Zeit begriff er etwas – es dauerte viel zu lange, in solchen Angelegenheiten reagierte er nach wie vor zu langsam –, und er rückte näher heran und nahm sie in die Arme. Da hörte sie zu erzählen auf und ließ den Kopf sinken, um nur einfach zu weinen.
Er verbrachte eine zweite Nacht in Finns Bett. Dari kam diesmal nicht zu ihm. Paul lag wach und horchte auf den Nordwind, der das Tal entlangpfiff.
Am Morgen, nach dem Frühstück, nahm er Dari mit hinunter an den See. Sie standen am Ufer, und er brachte dem Kind bei, wie man flache Steine über die Wasseroberfläche hüpfen lassen kann. Das tat er nur, um Zeit zu gewinnen, denn er war immer noch ängstlich und unsicher, was seine Entscheidung vom vergangenen Abend betraf. Als er endlich eingeschlafen war, hatte er von Dariens Blume geträumt, und das Rot in ihrer Mitte war im Traum zu einem Auge geworden, und Paul hatte sich gefürchtet und war unfähig gewesen, es anzusehen.
Jetzt am Wasser waren die Augen des Kindes blau, und es wirkte auf stille Weise begierig, zu lernen, wie man einen Stein hüpfen lässt. Beinahe wäre es möglich gewesen, zu der Überzeugung zu gelangen, dass es nichts als ein kleiner junge war und es auch bleiben würde. Beinahe. Paul beugte sich tief herab. »So«, sagte er und ließ einen Stein fünfmal über den See hüpfen. Als er sich wieder aufgerichtet hatte, beobachtete er das Kind dabei, wie es losrannte, um weitere Steine zu suchen, die sich zum Werfen eigneten. Dann hob er den Blick und sah eine silberhaarige Gestalt um die Biegung des Weges nach Paras Derval geritten kommen.
»Sei gegrüßt«, rief ihm Brendel zu, als er herangekommen war. Und fügte im Absteigen hinzu: »Sei gegrüßt, Kleiner. Direkt neben dir ist ein Stein, und noch dazu ein guter, denke ich.«
Er stand Paul gegenüber, und seine Augen blickten wissend.
»Kevin hat dich unterrichtet?« fragte Paul.
Brendel nickte. »Er nimmt an, du würdest böse sein, aber nicht ernstlich.«
Pauls Mundwinkel zuckten. »Er kennt mich allzu gut.«
Brendel lächelte, aber seine beredten Augen waren violett. »Er hat noch etwas gesagt. Seiner Meinung nach habe es den Anschein, als gehe es um die Entscheidung zwischen Licht und Finsternis, und möglicherweise sei es angebracht, dass die Lios Alfar dabei sind.«
Einen Augenblick lang schwieg Paul. Dann bemerkte er: »Er ist der Klügste von uns allen, weißt du. Daran hatte ich überhaupt nicht gedacht.«
Weit im Osten, in Gwen Ystrat, betraten die Männer von Brennin und Cathal soeben den Leinanwald, und ein weißer Eber erhob sich aus einem langen, langen Schlaf.
Hinter Brendel versuchte Dari gerade, ohne viel Erfolg, einen Stein zum Hüpfen zu bringen. Mit einem Seitenblick auf ihn erkundigte sich der Lios leise: »Was hattest du vor?«
»Ihn zum Sommerbaum zu bringen«, entgegnete Paul.
Brendel wurde daraufhin sehr still. »Du willst ihm vor der Wahl Kräfte zugänglich machen?« fragte er.
Dari ließ einen Stein dreimal hüpfen und lachte. »Sehr gut«, anerkannte Paul unwillkürlich, und dann, an Brendel gewandt: »Er kann, solange er noch ein Kind ist, nicht wählen, und ich fürchte, er verfügt bereits über gewisse Kräfte.« Und er erzählte Brendel von der Blume. Der Lios war wie eine stille Silberflamme inmitten des Schnees. Sein Gesicht war ernst, es war alterslos und schön. Als Paul geendet hatte, fragte er: »Können wir es uns leisten, so auf gut Glück mit dem Webstuhl der Welten zu spielen?«
Und Paul antwortete: »Aus welchem Grund auch immer, Rakoth wollte verhindern, dass er lebt.«
»Aus welchem Grund auch immer«,
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