Das wandernde Feuer
hatte Tabor drunten am Fluss entgegnet. »Aber wir befinden uns im Krieg, Vater, wie könnte ich darauf verzichten, zu reiten?«
Schroff hatte Ivor darauf reagiert: »Wir befinden uns im Krieg, und ich bin Aven der Dalrei. Du bist einer der Reiter, die ich befehlige. Du musst es mir überlassen, zu entscheiden, wie wir die uns zur Verfügung stehenden Kräfte am besten nutzen.«
»Ja, Vater«, hatte Tabor kleinlaut beigegeben.
Zweischneidig , dachte Ivor nun, als er den Bogen zurück nach Süden schlug, am Westufer des Latham entlang dorthin, wo Sachens vierter Stamm Quartier bezogen hatte. Jedes Geschenk, das die Göttin machte, war zweischneidig. Er versuchte ohne großen Erfolg, darüber nicht verbittert zu sein. Dieses geflügelte, herrliche Geschöpf mit seinem schimmernden Silberhorn war als Waffe im Krieg wirksamer als alles andere, worüber sie verfügten, und der Preis ihres Einsatzes, das sah er jetzt ein, würde darin bestehen, dass er sein jüngstes Kind verlor.
Sachen mit dem kantigen Gesicht und den sanften Augen kam herbeigeritten, um ihn abzufangen, und Ivor war gezwungen, stehenzubleiben und zu warten. Sachen war für einen Stammeshäuptling recht jung, doch er war besonnen und wachsam, und Ivor vertraute ihm mehr als den meisten anderen.
»Aven«, wollte Sachen nun ohne lange Vorrede erfahren, »wann brechen wir auf? Soll ich eine Jagd anordnen oder nicht?«
»Heute noch nicht«, beschied ihm der Aven. »Cechtar hat gestern gute Beute gemacht. Komm zu uns, falls ihr ein paar Eltor braucht.«
»Das werde ich tun. Und wie steht es mit –«
»Ein Auberei dürfte dich bald erreichen. Heute Abend findet in unserem Lager eine Beratung statt. Ich habe sie auf einen späten Zeitpunkt gelegt; ich hoffe, Levon wird dann mit Neuigkeiten aus Paras Derval zurück sein.«
»Gut. Aven, ich habe meinen Schamanen bedrängt, seit der Schnee zu schmelzen begonnen hat –«
»Dränge ihn nicht«, unterbrach ihn Ivor, ohne nachzudenken.
»– aber er hatte bisher keinen Ausweg anzubieten. Wie steht es mit Gereint?«
»Er auch nicht«, sagte Ivor und ritt weiter.
Er war nicht mehr jung gewesen, als man ihn geblendet hatte. Seit Jahren war er drunten in Celidon der nächste gewesen, der an die Reihe kommen sollte, ehe die Auberei mit der Nachricht eintrafen, Colynas, der Schamane Banors und des dritten Stammes, sei gestorben.
Jetzt war er alt – die Schamanen erreichten häufig ein hohes Alter –, und die Blendung lag weit zurück, doch er erinnerte sich daran mit äußerster Klarheit. Was auch nicht weiter überraschend war: Die Fackeln und die Sterne und die tanzenden Männer von Banors Stamm waren das letzte, was Gereint je gesehen hatte.
Sein Leben war reich gewesen, dachte er, erfüllter, als er es sich hätte erträumen können. Wäre es zu Ende gewesen, ehe der Rangat Feuer gespuckt hatte, dann hätte er von sich behauptet, er sei im Leben wie im Tod ein glücklicher Mann gewesen.
Von dem Zeitpunkt an, da er in Celidon, wo der erste Stamm sich ständig aufhielt, vom Ältesten berufen worden war, hatte Gereints Schicksal sich von dem aller anderen jungen Männer unterschieden, die damals gerade aufgefordert wurden, ihre Fastenzeit auf sich zu nehmen.
Zum einen hatte er Celidon verlassen. Nur die Auserwählten des ersten Stammes taten das. Er hatte gelernt, ein Jäger zu sein, denn der Schamane musste über die Jagd und über die Eltor Bescheid wissen. Er war von Stamm zu Stamm gezogen, hatte bei jedem eine Jahreszeit verbracht, ohne zu wissen, bis sein Auberei eintraf, welchem Stamm er sich anschließen, welchem Häuptling er dienen durfte. Auch hatte er mit Frauen sein Lager geteilt, in sämtlichen neun Stämmen, damit sich sein bedeutsamer Same auf der Ebene verbreite. Er hatte keine Vorstellung davon, wie viele Kinder er während dieser Jahre des Wartens gezeugt hatte, doch er erinnerte sich sehr gut an bestimmte Nächte. So war es jahrelang gewesen, Monate, die er unterwegs war, Monate, die er in Celidon verbracht hatte mit den Gesetzespergamenten und den anderen Wissensfragmenten, die nicht Gesetz waren, von denen die Schamanen aber wissen mussten.
Er hatte geglaubt, er hätte genügend Zeit gehabt. Mehr jedenfalls als die meisten, und er hatte damit begonnen, als er einen Keia als Totemtier erblickt hatte, was ihn auszeichnete, selbst unter den auserwählten Männern.
Er hatte geglaubt, bereit zu sein, als die Blendung vollzogen wurde. Bereit für die Veränderung, wenn auch nicht
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