Das wandernde Feuer
Zeiten durchmache.«
»O Pwyll. Wie könnten die Zeiten angenehm sein?« Plötzlich machte sie einen viel älteren Eindruck. Er bemühte sich, in ihrer Stimme Spott zu entdecken, doch er hörte keinen heraus.
»Ich weiß nicht«, gab er zu. Und dann: »Jaelle, sollten wir nicht zurückkehren, wäre es besser, wenn du Aileron und Teyrnon von Darien erzählst. Jennifer wird das nicht recht sein, aber ich glaube nicht, dass du eine andere Wahl hast. Sie müssen auf ihn vorbereitet sein.«
Sie bewegte sich ein wenig, und jetzt konnte er ihre Augen erkennen. Sie hatte ihm ihren. Umhang überlassen und war nur in ein langes Nachtgewand gekleidet. Der Wind blies vom Meer her. Er stand auf und legte den Umhang wieder um ihre Schultern und schloss die Schnallen um ihren Hals. Dann trat er zurück.
Sie war beinahe so groß wie er, doch sie hielt den Kopf gesenkt. Den Blick hinab auf den Sand gerichtet, fragte sie: »Pwyll, ist es wirklich möglich, das zu schaffen? Kannst du dorthin gelangen?«
»Ich bin mir dessen nicht sicher«, räumte er wahrheitsgemäß ein. »Nicht einmal, ob wir etwas ausrichten können, wenn wir dorthin gelangt sind. Doch ich weiß, Loren hat recht. Wir müssen es versuchen.«
Sie blickte auf. Sie stand dem Monde zugewandt da, und er konnte sie deutlich sehen. »Dana hat keine Gewalt über das Meer«, betonte sie. »Du weißt, ich würde mitkommen, wenn, wenn ich könnte –«
»Das weiß ich«, bestätigte Paul. »Aber du wirst auch hier mehr als genug zu tun haben. Bedaure jene, die wie Jennifer und Sharra nur warten und lieben und hoffen können, dass diese Gefühlsregungen etwas zählen, was über den reinen Schmerz hinausgeht.«
Sie öffnete den Mund, wie um zu sprechen, besann sich jedoch eines Besseren und schwieg. Ungebeten fielen ihm die Worte einer alten Ballade ein, und er bot sie beinahe unhörbar dem Nachtwind und dem Meere dar:
Oh, was ist eine Frau, dass du ihr entsagst,
Dem Feuer des Herdes, der heimatlichen Scholle,
Und zu dem alten, grauen Witwenmacher
Hinabzusteigen wagst?
»Der Weber behüte uns davor«, sagte Jaelle und wandte sich ab.
Er folgte ihr auf dem schmalen Pfad nach Taerlindel. Während sie dahingingen, versank zu ihrer Rechten der Mond im Meer, und sie kehrten in eine Stadt zurück, die nur vom Licht der Sterne erleuchtet wurde.
Als die Sonne aufging, machte die Schar sich bereit, mit der Prydwen in See zu stechen. Aileron, der Großkönig, kam an Bord, um sich von seinem Ersten Magier, von Paul Schafer und von Arthur Pendragon zu verabschieden, sowie von den Mannen der Südfeste, welche die Besatzung dieses Schiffes sein würden und von Coll aus Taerlindel, der an seinem Ruder stehen würde.
Zuallerletzt trat er seinem Bruder gegenüber. Mit ernsten Augen sahen sie einander an: die von Aileron so braun, dass sie fast schwarz wirkten, die von Diarmuid blauer als der Himmel über ihnen.
Ohne ihrer Tränen zu achten, beobachtete Sharra vom Kai aus, wie Diarmuid etwas sagte und dann nickte.
Dann sah sie ihn vortreten und seinen Bruder auf die Wange küssen. Einen Augenblick darauf machte Aileron kehrt und kam den Landungssteg herab. Sie entdeckte keinerlei Ausdruck auf seinem Gesicht, und sie hasste ihn ein wenig.
Die Segel der Prydwen wurden gesetzt und blähten sich. Das Fallreep wurde eingezogen. Der Wind wehte von Südosten: Sie konnten mit ihm segeln.
Na-Brendel aus Daniloth stand neben dem Großkönig und seiner Leibgarde. Auch drei Frauen waren anwesend und sahen zu, wie das Schiff ablegte und davonzugleiten begann. Die eine war eine Prinzessin, die andere eine Hohepriesterin; neben ihnen jedoch stand eine, die wie eine Königin wirkte, und Brendel konnte den Blick nicht von ihr wenden.
Ihre Augen waren klar und leuchtend, als sie dem Schiff und dem Manne hinterher blickte, der an seinem Heck stand und seinerseits zu ihr zurückschaute. Kraft und Stolz signalisierte sie ihm, das wusste Brendel, und er sah sie so dastehen, bis die Prydwen nur noch ein weißer Punkt war an der Stelle, wo das Meer und der Himmel zusammenstießen.
Erst dann wandte sie sich dem Großkönig zu, erst dann kehrte die Besorgnis in ihr Gesicht zurück. Und noch etwas, das über die Besorgnis hinausging.
»Könnt Ihr einen Beschützer für mich entbehren?« fragte Jennifer. »Ich möchte zum Turm gehen.«
Mitgefühl lag in Ailerons Augen, als hätte auch er gehört, was Brendel vernommen hatte: dass der Kreis der Zeit sich wieder einmal schloss, dass auf dem
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