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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Begehr?« fragte er.
    Und Paul antwortete:. »Wir segeln morgen früh nach Cader Sedat.«
    Da entrang sich dem Gott ein Laut wie von einer Welle, die sich an hohen Felsen bricht. Dann schwieg er und blickte im hellen Mondlicht auf Paul hinab. Lange danach gab er zu bedenken: »Dieser Ort wird gut bewacht, Bruder.« In seiner Stimme lag eine Spur von Trauer. Paul hatte sie drunten im Meer schon einmal vernommen.
    Er wollte wissen: »Kann diese Bewachung sich dir gegenüber behaupten?«
    »Ich weiß es nicht«, gab Liranan zu. »Aber mir ist versagt, auf das Gewirk Einfluss zu nehmen.«
    »Nicht, wenn man dich zu Hilfe ruft.«
    Wieder herrschte Stille, bis auf das endlose Raunen der ablaufenden Flut und der Wellen.
    »Im Augenblick bist du in Brennin«, stellte der Gott fest, »und nahe dem Wald, aus dem deine Macht stammt. Später wirst du weit draußen auf dem Meer sein, sterblicher Bruder. Wie willst du mich da noch zwingen?«
    Paul entgegnete: »Wir haben keine andere Wahl, als dorthin zu segeln. Der Kessel von Khath Meigol befindet sich in Cader Sedat.«
    »Du kannst einen Gott nicht in seinem eigenen Element bannen, Zweimal Geborener.« Die Stimme klang stolz, aber nicht kalt. Beinahe traurig.
    Paul machte eine Handbewegung, die Kevin Laine jederzeit verstanden hätte. »Ich werde es versuchen müssen«, entschied er.
    Noch einen Augenblick lang betrachtete Liranan ihn, dann sagte er sehr leise etwas. Es vermischte sich mit dem Seufzen der Wellen, und Paul konnte die Worte des Gottes nicht verstehen. Noch ehe er nachzufragen in der Lage war, hatte Liranan auch schon den Arm gehoben, und in seinem Wassergewand vermengten sich die Farben. Er spreizte hoch über Pauls Kopf die Finger, und dann war er verschwunden.
    Paul spürte, wie ihm die Gischt über Gesicht und Haare sprühte, dann ließ er den Blick sinken und merkte, dass er barfuss auf dem Strand stand, nicht mehr knöcheltief im Meer. Zeit war verstrichen. Der Mond war inzwischen tief in den Westen weitergewandert. Entlang seiner silbernen Spur sah er einen silbernen Fisch einmal die Wasseroberfläche durchbrechen und dann wieder hinabtauchen, um zwischen den Sternen des Meeres und den Farben der Korallen dahinzuschwimmen.
    Als er sich zum Gehen wandte, stolperte er, und erst da wurde ihm klar, wie müde er war. Der Sand schien gar nicht mehr aufhören zu wollen. Zweimal wäre er beinahe hingefallen. Nach dem zweiten Mal hielt er inne und stand eine Zeitlang tief atmend da, ohne sich zu rühren. Er fühlte sich benommen, als habe er zu sauerstoffreiche Luft eingeatmet. Undeutlich entsann er sich des Liedes, das er weit draußen auf dem Meer gehört hatte.
    Er schüttelte den Kopf und kehrte dorthin zurück, wo er seine Stiefel hinterlassen hatte. Er kniete nieder, um sie wieder anzuziehen, und dann blieb er im Sand sitzen, die Arme auf die Knie gelegt, den Kopf zwischen ihnen gesenkt. Das Lied verstummte nach und nach, er konnte spüren, wie sein Atem mit der Zeit wieder in den Normalzustand überging, doch das galt nicht für seine Kräfte.
    Er sah einen Schatten neben dem seinen auf den Strand fallen.
    Ohne aufzublicken sagte er mit schneidender Stimme: »Du musst wohl Vergnügen dabei empfinden, mich so vorzufinden. Du scheinst großen Wert darauf zu legen, solche Gelegenheiten auszukosten.«
    »Du fröstelst ja«, stellte Jaelle fest, und er fühlte, wie ihr Umhang sich auf seine Schultern legte. Er trug ihren Duft.
    »Mir ist nicht kalt«, widersprach er. Doch als er seine Hände betrachtete, bemerkte er, dass sie zitterten.
    Sie trat beiseite, und er blickte zu ihr auf. Ein Reif lag um ihre Stirn und hielt ihr Haar im Wind zurück. Der Mond berührte ihre Wangenknochen, doch ihre grünen Augen waren umschattet. Sie sagte: »Ich habe euch beide in einem Licht gesehen, das nicht vom Mond herrührte. Pwyll, was du auch immer sein magst, du bist sterblich, und das war kein Licht, in dessen Strahlen wir überleben können.«
    Er erwiderte nichts. Nach einem Moment fuhr sie fort. »Vor langer Zeit hast du mir gegenüber behauptet, als ich dich vom Baum geholt habe, dass die menschliche von all unseren Funktionen die vorrangige sei.«
    Er richtete sich auf und blickte noch einmal hoch. »Du entgegnetest darauf, ich hätte unrecht.«
    »Das hattest du auch, damals.«
    In der Stille schienen die Wellen weit weg zu sein. Er erklärte: »Ich hatte vor, mich auf dem Weg hierher bei dir zu entschuldigen. Du scheinst mich immer dann zu erwischen, wenn ich schlimme

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