Das Weihnachtshaus
paar Tage in Bedford bei Edwards Schwester Marion. Sie hat dort den Heiligen Abend verbracht. Sonst kommen Marion, Gordon und ihre Kinder immer hierher, aber dieses Jahr wollten sie gemütlich zu Hause bleiben. Margaret ist eine ganz liebe Person. Sie werden sehen.»
«Ich wusste gar nicht, dass sie noch lebt.»
«Doch, sie ist noch sehr lebendig.»
Mein Plan, mein Geheimnis zu lüften und dann zu gehen, kam mir nun nicht mehr so gelungen vor. Es war eine Sache, einem erwachsenen Mann zu erzählen, dass sein Vater untreu gewesen war. Das wäre schon verblüffend genug. Doch einer älteren Witwe zu enthüllen, dass ich das Ergebnis einer Unbesonnenheit ihres Mannes vor dreißig Jahren war … Das wäre grausam.
Ellie ging ins Haus und blickte mich über die Schulter hinweg an. «Kommen Sie mit? Ich gehe gleich in die Küche und mache mich an die Arbeit, und ich muss dazusagen, dass ich absolut niemanden hereinlasse, solange ich zu tun habe. Da bin ich ziemlich eigen. Ich hoffe, Sie verstehen das. Aber ich werde Hilfe brauchen beim Aufräumen.»
Sie lächelte und ging in Richtung Küche.
Ich trat unter dem Spruch «Gnade und Frieden sind hier daheim» ins Haus und schloss die Tür. Als ich allein im Eingang stand, überlegte ich, ob es nicht gut wäre, jetzt einfach zu gehen. Ob es nicht am besten wäre. Niemand in Carlton Heath brauchte etwas zu wissen. Niemals.
Doch Katharine wusste Bescheid. Ich wusste, dass sie es wusste. Und Katharine sollte sich nicht verpflichtet fühlen, Edward, Ellie oder Margaret von diesem fehlenden Stück im Leben von Sir James zu erzählen, nachdem ich gegangen war. Das wäre sowohl den Whitcombes als auch Katharine gegenüber nicht fair.
Ich wusste auch, dass Katharine und Andrew vorhatten, zum Weihnachtsessen zu kommen, weil sie, als wir nach dem Gottesdienst in der Kirche miteinander sprachen, darüber beraten hatten, was sie mitbringen sollten. Ich saß in der Klemme.
Ich ging die Treppe hoch in die Abgeschiedenheit meines Gästezimmers, trat ein und schloss die Tür. Ich fühlte mich richtiggehend erschöpft und streckte mich auf dem Bett aus. Nun war ich erst seit vierundzwanzig Stunden in England, und doch kam es mir so vor, als befände ich mich inzwischen in einer anderen Welt.
«Was soll ich nur tun?», flüsterte ich. «Was soll ich nur tun?»
Ich drehte mich um, und ein Strahl des Wintersonnenlichts drang durch das dicke Fenster und fiel auf mein Gesicht. Nur Mark und Julia waren zu hören, wie sie im Garten beim Spielen im Schnee kreischten und quiekten. Plötzlich hörte ich ein anderes Geräusch. Es waren laute, fröhliche Stimmen im Flur. Türen gingen auf und wieder zu. Und ich hörte Ellie lachen. Offensichtlich war Margaret gekommen.
Ich wollte nicht hinuntergehen. Ich wollte Margaret nicht begegnen. Ich wollte nicht, dass die Frau, die ihr Leben achtundfünfzig Jahre lang mit Sir James Whitcombe geteilt hatte, mir in die Augen sah und feststellte, dass sie genauso klar und blau waren wie die ihres Mannes.
Ich hätte mich am liebsten unsichtbar gemacht. Mich in eine Schneeflocke verwandelt, die aus dem Schlafzimmerfenster fliegen und in den Zweigen eines unscheinbaren Busches schmelzen würde.
Es klopfte leise an die Tür des Gästezimmers, und mein Herz schlug schneller. Ich antwortete nicht. Es klopfte noch einmal.
«Miranda?» Es war Andrew, der als Schotte das «R» rollte.
«Ja?»
«Ah! Miranda, man hat mich geschickt, um Sie für die Feier nach unten zu holen.»
Ohne mich zu bewegen, rief ich zaghaft: «Andrew?»
«Ich bin immer noch hier», antwortete er hinter der geschlossenen Tür.
«Wer ist denn sonst noch da?»
«Katharine ist unten, wenn Sie das meinen.»
«Sonst noch jemand?»
«Ah! Sie wollen wissen, ob mein Sohn gekommen ist. Sie können ganz beruhigt sein. Zurzeit sind Katharine und ich die einzigen MacGregors da unten. Also, was soll ich Ellie sagen, kommen Sie zu uns, oder möchten Sie ein bisschen Ruhe und Frieden haben?»
«Ich bin … Ich bin in ein paar Minuten unten.»
Ich blickte hoch, und genau in diesem Augenblick flog ein Pfeil gegen die Fensterscheibe und fiel dann in die Tiefe zurück. Ich schwang mich vom Bett, lief zum Fenster und rechnete damit, dass Mark da unten stand und eine Grimasse schnitt.
Stattdessen stand Edward da unten, den Bogen noch in der Hand. Er schien sehr überrascht zu sein. Auch Mark wirkte verdutzt. Sie hatten offenbar auf den Apfelbaum gezielt, der in entgegengesetzter Richtung vom Haus
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