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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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er es vielleicht gar nicht? Er kam auf mich zu. An einem Tisch in der Mitte saß noch jemand. Er kam weiter auf meinen Tisch zu, zog einen Stuhl heraus und setzte sich.
    »Guten Abend«, sagte er.
    »Abend«, sagte ich, »woher wussten Sie, dass ich es bin?«
    »So was wissen wir eben«, antwortete er.
    Der Kellner kam.
    »Heißen Tee«, sagte ich zu ihm. Der Kellner ging.
    Ich beugte mich ein wenig vor.
    »Was kostet mich das?«, fragte ich leise.
    »Wie viel haben Sie denn auf dem Konto?«, fragte er leise zurück.
    »Zehntausend.«
    »Zwanzigtausend.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »So was wissen wir eben.«
    »Das ist eine Menge Geld.«
    »Es ist der Preis. Wollen Sie oder nicht?«
    »Doch. Sie bekommen einen Bankscheck, wenn’s erledigt ist.«
    »Nur Bargeld. Alles in Hundertern. Ohne Markierung.«
    »Das wird schwer.«
    »Trotzdem.«
    »Wie bringe ich’s zu Ihnen?«
    »Wir melden uns.«
    »Wollen Sie keinen Vorschuss?«
    »Nein, wir kassieren hinterher. Aber heben Sie’s auf jeden Fall morgen von der Bank ab. Verstanden?«
    »Ja.«
    Der Kellner kam mit seinem Tee.
    »Danke«, sagte er, »und bringen Sie mir bitte noch Zitrone.«
    Der Kellner ging.
    »Woher wollen Sie wissen, ob ich Sie bezahle?«, fragte ich.
    »Sie werden zahlen, und zwar dann, wenn wir es Ihnen sagen.«
    Schweigen trat ein. Er saß nur da und sah mich an.
    Wir hatten uns durchweg leise unterhalten. Irgendwie kam ich mir vor wie auf der Leinwand, in einem billigen Film.
    »Ich hab gern Zitrone zum Tee«, sagte er, »Sie nicht?«
    »Nein. Hören Sie, außer seinem Kennzeichen habe ich nichts. Wie wollen Sie ihn finden?«
    »Wir finden ihn schon. Schreiben Sie die Nummer auf die Serviette da und schieben Sie sie zu mir rüber.«
    Ich hatte einen Stift. Ich schrieb die Nummer auf und schob sie rüber.
    »Danke«, sagte er.
    Der Kellner brachte die Zitrone.
    »Danke«, sagte er zu ihm.
    Ich redete erst, als der Kellner gegangen war.
    »Der Mann sieht aus wie ich, wissen Sie.«
    »Das wissen wir.«
    »Und woher weiß ich, dass Sie statt seiner nicht mich umlegen?«
    »Das Wort ›umlegen‹ mögen wir nicht.«
    »Wie soll ich es denn sonst sagen? Mit welchem Wort?«
    »Mit gar keinem.«
    »Haben Sie Angst, dass ich verwanzt bin?«
    »Wir haben keine Angst. Und wir wissen, dass Sie nicht verwanzt sind.«
    Er drückte die Zitrone über dem Tee aus und trank einen Schluck. Dann setzte er die Tasse ab und sah mich wieder an. Ich fragte mich, ob er Familie hatte.
    »Wie lange dauert das?«, fragte ich.
    »In fünf Tagen ist alles über die Bühne.«
    Der Kellner brachte mein Chow Mein und ging wieder.
    »Das Essen ist hier nicht gut«, sagte der Mann.
    »Nach Essen steht mir im Moment auch nicht der Sinn. Wie erfahre ich denn, ob der Auftrag erfüllt ist? Und ob Sie’s wirklich getan haben?«
    »Sie erhalten einen Beweis. Wir sind zuverlässig.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, wie Sie ihn mit den paar Anhaltspunkten finden wollen. Die Stadt ist verdammt groß. Vielleicht wohnt er hier gar nicht mehr.«
    »Wir finden ihn schon. Binnen fünf Tagen ist alles erledigt.«
    »Redet denn nie jemand?«
    »Reden?«
    »Ein Klient, meine ich.«
    »Der Klient redet nie.«
    Ich blickte auf mein Chow Mein.
    »Ich weiß nicht, ob ich das wirklich will.«
    »Kein Problem für uns. Wenn Sie’s nicht wollen, kostet Sie das fünftausend. Sonst zwanzig.«
    Darauf wurde es still. Gut drei Minuten lang.
    Der Mann hakte nach.
    »Wollen Sie’s, oder nicht? Entscheiden Sie sich.«
    »Okay, machen Sie’s.«
    »Okay«, sagte der Mann. »Sie hören von uns.«
    Er stand auf. Er sah auf mich runter.
    »Verdammt nochmal, ich glaube, es hat schon sechs oder sieben Monate nicht geregnet. Bestimmt der Treibhauseffekt, was?«
    »Ja, ich glaube, die haben unsere Stratosphäre versaut.«
    »Drecksäcke«, sagte der Mann. Dann drehte er sich um, ging zur Tür, öffnete sie und verschwand, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Das Chow Mein sah nicht gut aus. Ich trank das Bier aus, nickte den Kellner zu mir. Ich bat um die Rechnung.
    Noch mal würde ich nicht herkommen. Es schien mir kein nettes Lokal zu sein.
    Vier Tage später, gegen sieben Uhr abends, fand ich einen Briefumschlag unter meiner Tür. Ich riss ihn auf. Er enthielt Fotos. Fotos von ihm. Tot. Er saß schief in einem Sessel. Aufrecht zwar, aber ein wenig nach rechts gelehnt. Ein Stück Zunge hing ihm aus dem Mund. Und er hatte ein großes Loch in der Stirn. Mir wurde etwas schwindlig. Ich atmete tief durch und bekam den

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