Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)
weiter, und wir warteten. Kurz bevor Mahler zu Ende ging, stieß er dann plötzlich den Schlag auf und stieg aus.
Unerwartet. Das brachte mich ein bisschen aus dem Konzept. Er nahm die Herausforderung an. Er bewies Mumm. Er wollte es wissen. Gut. Gut. Verdammte Scheiße, gut.
Ich stieg aus. Dann sah ich ihn klar vor mir. Er war’s natürlich.
Ich ging auf ihn zu.
Er wich nicht zurück. Er hatte zwei, drei Meter Luft nach hinten, aber er wich nicht zurück.
Etwa einen Meter vor ihm blieb ich stehen.
»Okay, Mann, lass hören.«
»Was denn?«
»Warum machst du das mit mir? Was willst du? Wer bist du?«
»Das ist meine Sache.«
»Dafür, dass du per Arschtritt gleich nach Honolulu befördert wirst, hast du ja die Ruhe weg.«
»Das wollen wir erst mal sehn.«
»Meinst du?«
»Mein ich.«
»Du hättest meine Freundin nicht vögeln sollen.«
»Nettes Mädchen.« Er grinste. »Schöne enge Muschi.«
Ich stürzte mich auf ihn und schlug eine Rechte. Er duckte sie ab und kam wieder hoch.
»So wird das aber nichts.«
»Abwarten. Dir reiß ich den Arsch auf.«
»Versuch’s mal.«
Ich ging rein, täuschte eine Rechte an und setzte ihm eine Linke hinters rechte Ohr. Er schüttelte den Kopf, tat benommen und verpasste mir dann eine Rechte, die mir mit Wucht an die Stirn krachte. Er war nicht schlecht. Aber meinem Gefühl nach hatte ich ihn. Ich warf mich nach Straßenart mit beiden Fäusten auf ihn. Er schlug zurück. Ich fing mir ordentlich was ein. Aber ich merkte, wie ich die Oberhand gewann, und als seine Schläge nachließen, konnte ich besser sehen und nahm Maß. Ich setzte ihm einen linken Haken in die Magengrube und schickte einen rechten Uppercut nach. Er ging zu Boden und wälzte sich herum. Ich trat ihn nicht. Ich ging einen Schritt zurück und wartete, dass er aufstand. Ich wollte ihm eine Abreibung alten Stils verpassen, langsam, locker und brutal, an die er sich nicht nur im Wachzustand, sondern auch im Schlaf erinnern würde.
Er stand auf, schüttelte den Kopf und latschte zu seinem Wagen.
»Vergiss es, Junge«, sagte ich, »dich mach ich fertig.«
Er setzte sich vorne rein. Dann stieg er wieder aus.
Er hatte eine elegante kleine schwarze Pistole in der Hand, und so klein war sie gar nicht. Ich hatte schon mal eine Schusswaffe vor der Nase gehabt und verrate Ihnen ein Geheimnis. Das Erste, was einem bei einer Schusswaffe auffällt, ist die Öffnung am Ende des Laufs. Diese Öffnung fasziniert. Denn da kommt’s raus. Die Öffnung ist das Schlangenauge, das den Vogel, das Kaninchen oder sonst eine Beute fixiert. Viel zu endgültig.
»So, Freundchen«, sagte er, »jetzt steig in deinen Wagen und fahr rückwärts raus, dann bin ich weg.«
»Ich fahre nicht.«
»Willst du sterben?«
»Nein.«
»Dann fahr.«
»Ich will wissen, warum du mir das Leben schwermachst. Was hast du davon? Was soll das? Wieso siehst du mir ähnlicher als ich selbst?«
»Du hast hier keine Fragen zu stellen.«
»Drück ab, du Arsch, sonst bist du erledigt!«
Ich ging auf ihn los …
Als ich wieder zu mir kam, war er weg. Mein Wagen stand noch da. Ich spürte die Platzwunde an meinem Kopf. Er hatte mir mit der Knarre eins übergezogen. Die Wunde war auf dem Schädeldach. Das Blut lief runter. Ich holte mein Taschentuch raus. Hielt es eine Weile drauf. Ging zum Wagen. Der stand jetzt woanders. Er hatte mir den Schlüssel aus der Tasche geholt. Ich machte die Wagentür auf. Der Schlüssel steckte in der Zündung. Ich stieg ein, fuhr vom Parkplatz runter und machte, dass ich auf den Freeway kam.
Ich knipste das Radio an. Erwischte Mozarts Requiem in d-Moll. Das passte …
Als ich nach Hause kam, saß Carine auf der Couch und sah fern. »Ja, was«, sagte sie, »ich dachte, du wolltest Wodka kaufen. Und wo ist der Wodka?«
»Himmel, Arsch und Zwirn«, sagte ich.
»Ach, du bist ja schon wieder betrunken«, meinte Carine. »Ich verschwinde.«
Ich saß am hintersten Tisch des China-Imbisses und wartete. Mein Kontaktmann hatte schon zehn Minuten Verspätung. Vielleicht kam er gar nicht. Dabei hatte ihn eine verlässliche Quelle für mich ausgesucht.
Ich rief den Kellner und bestellte noch ein Bier.
»Und einmal Chow Mein dazu. Mit Shrimps.«
Er ging und kam bald mit dem Bier wieder. Ich nahm einen guten Schluck. Ich trank nie aus dem Glas. Aus der Flasche schmeckte es besser.
Die Tür ging auf, und ein Mann kam herein. Er sah ganz freundlich aus. Irgendwie hatte ich einen hartgekochteren Typ erwartet. War
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