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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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umrundet hatte, ging ich schnurstracks in meine Wohnung.
    Ich sah, dass Carson und Shipkey ziemlich blau waren, und wusste, dass sie mir nicht beistehen würden. Der kleine Kartenspieler, den sie mitgebracht hatten, war auch hinüber, aber das ganze Geld lag auf seiner Tischseite.
    Der Mann mit dem Ziegenbart stand vom Bett auf. »Guten Tag«, sagte er.
    »Schönen guten Tag.« Ich gab ihm die Hand. »Sie warten hoffentlich noch nicht lange?«, sagte ich.
    »Aber nein.«
    »Wirklich«, sagte ich, »aufs Reden versteh ich mich nicht besonders –«
    »Außer, wenn er besoffen ist, dann schreit er alles zusammen. Manchmal hält er sogar Vorträge auf dem Marktplatz, und wenn keiner zuhört, spricht er mit den Vögeln«, sagte Shipkey.
    Der Mann mit dem Ziegenbart grinste. Er hatte ein prächtiges Grinsen. Offensichtlich ein Mann von Verstand.
    Die beiden anderen spielten weiter Karten, doch Shipkey drehte seinen Stuhl herum und beobachtete uns.
    »Ich bin in mich gekehrt und verkrampft«, redete ich weiter, »und –«
    »Lachkrampf oder Magenkrampf?«, schrie Shipkey.
    Das war übel, doch der Mann mit dem Ziegenbart lächelte auch jetzt, und gleich ging es mir besser.
    »Ich heb mir das alles auf und bring es zu Papier und –«
    »Weinkrampf oder Bierkrampf?«, schrie Shipkey.
    »– und auch wenn Sie jetzt von mir enttäuscht sind, ich war schon immer so.«
    »Hey, Mister!«, rief Shipkey und wackelte auf seinem Stuhl hin und her. »Hey, Ziegenbart!«
    »Ja?«
    »Hören Sie, ich bin einsachtzig groß, hab wellige Haare, ein Glasauge und zwei rote Würfel.«
    Der Mann lachte.
    »Glauben Sie mir etwa nicht? Meinen Sie, ich hab keine zwei roten Würfel?«
    Aus irgendeinem Grund wollte Shipkey, wenn er betrunken war, den Leuten immer weismachen, er hätte ein Glasauge. Mal zeigte er auf das eine, mal auf das andere Auge und behauptete, es sei aus Glas. Angeblich hatte sein Vater ihm das Auge gemacht, der größte Spezialist dafür weltweit, den leider in China ein Tiger zerrissen hatte.
    Plötzlich schrie Carson los: »Die Karte da! Wo hast du die her? Komm, lass sehn! Da, gezinkt ! Dachte ich mir doch! Kein Wunder, dass du die ganze Zeit gewonnen hast! Ha! Ha!«
    Carson stand auf, packte den kleinen Kartenspieler am Schlips und zog ihn daran hoch. Carson war vor Wut blaurot im Gesicht, und der kleine Kartenspieler lief rot an, als ihn Carson am Schlips zog.
    »Was war? Was war? Was ist los?«, schrie Shipkey. »Worum geht’s denn? Lass hören!«
    Carson war blaurot und konnte kaum noch sprechen. Mit großer Mühe zischte er die Worte hervor, ohne den Schlips loszulassen. Der kleine Kartenspieler fuchtelte mit den Armen herum wie ein gestrandeter Krake.
    »Beschissen hat er uns!«, zischte Carson. »Beschissen! ’ne Karte aus dem Ärmel gezogen, ich schwör’s! Der hat uns beschissen!«
    Shipkey trat hinter den kleinen Kartenspieler, packte ihn bei den Haaren und riss ihm den Kopf von einer Seite zur anderen. Carson blieb am Schlips.
    »Hast du uns beschissen, ja? Ja? Rede! Rede!«, schrie Shipkey, an den Haaren zerrend.
    Der kleine Kartenspieler sagte nichts. Er warf nur die Arme umher und kam ins Schwitzen.
    »Kommen Sie, wir gehen irgendwohin, wo wir ein Bier trinken und was essen können«, sagte ich zu dem Mann mit dem Ziegenbart.
    »Los! Rede! Spuck’s aus! Wie kannst du uns bescheißen?«
    »Ach, das ist nicht nötig«, sagte der Mann mit dem Ziegenbart.
    »Du Ratte! Du Natter! Du Arschgesicht!«
    »Ich bestehe darauf«, sagte ich.
    »Einen Mann mit’m Glasauge ausnehmen, was? Dir werd ich’s zeigen, du Arschgesicht!«
    »Das ist sehr nett von Ihnen, danke, und ein bisschen Hunger hab ich auch«, sagte der Mann mit dem Ziegenbart.
    »Rede! Rede, du Arschgesicht! Wenn du binnen zwei Minuten nicht den Mund aufmachst, binnen zwei Minuten, schneid ich dir die Pumpe raus und verwende sie als Türgriff!«
    »Gehen wir«, sagte ich.
    »Okay«, sagte der Mann mit dem Ziegenbart.

    So spät am Abend hatten alle Esslokale zu, und es war eine lange Fahrt in die Stadt. Da ich ihn nicht wieder mit zu mir nehmen konnte, musste ich mein Glück bei Millie versuchen. Sie hatte immer reichlich zu essen. Jedenfalls hatte sie immer Käse da.
    Ich hatte recht. Sie machte uns Käsebrote mit Kaffee. Die Katze kannte mich noch und sprang mir in den Schoß.
    Ich setzte sie auf den Fußboden.
    »Aufgepasst, Mr Burnett«, sagte ich.
    »Gib Pfötchen!«, befahl ich der Katze. »Gib Pfötchen!«
    Die Katze saß nur da.
    »Komisch,

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