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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Klassiker, die Werke der alten Berühmtheiten, und mir zumindest schien die Literatur vergangener Jahrhunderte mit wenigen Ausnahmen voller Lügen, Protz, Prahlerei und Taschenspielertricks zu sein.
    Ich wusste nicht, was ich tat, und wusste es doch. Ich konzentrierte mich mehr darauf, wo ich hinwollte. Im Laufschritt näherte ich mich meinem Hausgott: EINFACHHEIT. Je dichter und kleiner die Form, desto weniger lief man Gefahr, Fehler zu machen oder zu lügen. Genie war vielleicht die Fähigkeit, Tiefes mit einfachen Worten zu sagen. Worte waren Geschosse, waren Sonnenstrahlen, Worte durchbrachen die Finsternis und die Verdammnis. Ich spielte mit Worten. Ich versuchte Absätze zu schreiben, die sich von oben nach unten genauso lasen wie von links nach rechts. Ich spielte. Zeit zum Spielen ist wichtig.
    Ich spielte jahrzehntelang. Und fand sehr wenig Anerkennung. Die Zeitschriftenmacher hielten mich wahrscheinlich für verrückt, besonders wenn sie lange, handgeschriebene Manuskripte von mir bekamen. Ein Typ schrieb mir zurück: »WAS SOLL DER SCHEISS?« Mit gutem Grund vielleicht.
    Und auf meine Art war ich verrückt. Oft zog ich sämtliche Rollos runter und blieb eine Woche lang im Bett. Und einmal hörte ich wen sagen: »Helen, kennst du den Mann in der 3? Der hat nichts als Weinflaschen im Müll. Und er sitzt nur im Dunkeln und hört Musik. Ich muss sehn, dass ich ihn loswerde.«
    So etwas wie Frauen, Autos und später das Fernsehen kam in meinem Leben kaum vor. Frauen hin und wieder schon, ganz selten mal, nicht die feinste Sorte.
    »Du bist der erste Mann ohne Fernseher, den ich kenne.«
    »Quatsch nicht, Baby, lass mich Bein sehen!«

    Nach Jahrzehnten kleiner Zimmer, Parkbänke, schlimmster Jobs, schlimmster Frauen kam endlich was von meinen Texten an, hauptsächlich bei den kleinen Zeitschriften und Pornomagazinen. Die Pornohefte waren für mich ein toller Abnehmer: Man konnte schreiben, was man wollte, je direkter, desto besser. Endlich Einfachheit und Freiheit, zwischen hochglänzenden Mösenfotos.
    Mit der Zeit drang ich weiter durch, auch zu einigen angeseheneren Zeitschriften. Sogar Bücher von mir kamen auf den Markt. Aber ich glaube, meinem Stil, meiner Methode bin ich treu geblieben. Ich mag spitze Steine in meinen Sätzen, schräges Lachen, Rülpser, Fürze. Ich ärgere zwar immer noch Leute, aber ich schreibe nicht, um Leute zu ärgern. Das geht zu leicht …
    Voriges Jahr hat uns die Mutter meiner Frau besucht, die nur zehn Jahre älter ist als ich. Als ich eines Abends von der Rennbahn nach Hause kam, las sie in einem meiner Bücher.
    »Ich habe ihr das gegeben«, sagte meine Frau.
    »Wozu?«, fragte ich.
    Meine Schwiegermutter spielt gern Scrabble, löst Kreuzworträtsel und sieht am liebsten Mord ist ihr Hobby im Fernsehen.
    Einige Tage vergingen.
    Wir brachten sie zum Flughafen.
    Eine Woche ging hin.
    »Wie hat deiner Mutter das Buch gefallen?«, fragte ich meine Frau.
    Meine Frau ist eine gute Schauspielerin. Sie legte ein empörtes Zischen in ihre Stimme: »Warum muss er solche Ausdrücke benutzen?«
    Sehr wahrscheinlich meinte sie damit den Dialog, aber die Sätze dazwischen haben ihr sicher auch missfallen: spröde, rissig, wacklig, stygisch. Nicht gerade wie von Shakespeare.
    Ich hatte beharrlich in den feuchten Höhlen gewerkelt, damit das so wird. Dass es sie abstieß, sah ich als Bestätigung an. Hätten ihr meine Sachen gefallen, hätte ich mir Sorgen gemacht, befürchtet, ich sei weich geworden, den Weg der Praktiker gegangen.
    Ich hatte eine lange, beschissene Lehrzeit absolviert.
    Ich wollte die Fallen umgehen und durchhalten, wollte an der Maschine sterben, mit einer Flasche Wein zur Linken und vielleicht Mozart aus dem Radio zu meiner Rechten.

Quellen
     
Nach dem langen Ablehnungsbescheid
»Aftermath of a Lengthy Rejection Slip«, Story , 1944
Dt. zuerst von Carl Weissner u. d. T. »Ein Ablehnungsbescheid und die Folgen«, Frankfurt am Main: Die tollen Hefte 28, Büchergilde Gutenberg, 2007.
20 Tanks aus Kasseldown
»20 Tanks from Kasseldown«, Portfolio , 1946.
Schwer ohne Musik
»Hard Without Music«, Matrix , Doppelnummer 1–2, Frühjahr-Sommer 1948.
Trace: Herausgeber schreiben
»Trace: Editors Write«, Trace Nr. 30, Februar-März 1959.
Aus einem weingetränkten Notizbuch
»Portions from a Wine-Stained Notebook«, Simbolica 19, 1960.
Ein hin und her schweifender Essay über Poetik und das verfluchte Leben, verfasst bei einem Sechserpack Bier
Dt. zuerst von Carl

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