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Das Weisse Kleid Des Todes

Das Weisse Kleid Des Todes

Titel: Das Weisse Kleid Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Arbeitszimmer. Seine Gewehre sind alle da, aber sein Colt, der fehlt.«
    Clare hätte einen Jahresverdienst darauf gewettet, dass der Colt irgendwo am Tenant Mountain in einer Schneewehe vergraben lag. »Hören Sie, Mrs. Fowler, ich rufe aus dem Haus von Codys Pflegemutter an. Ihr Mann hat das Kind mitgenommen. Falls er wieder heimkommt oder sich bei Ihnen meldet, versuchen Sie, ihn nicht aufzuregen, und nehmen Sie ihm das Baby weg. Verständigen Sie sofort die Polizei.«
    Es war so still, dass Clare einen Moment glaubte, die Verbindung wäre abgebrochen.
    Schließlich sagte Edith Fowler: »Ich verstehe. Geht in Ordnung.«
    Clare legte auf und stürzte wieder nach draußen. Vaughn Fowler war unbewaffnet. Aber sie konnte den Verdacht nicht loswerden, dass er Cody ein für alle Mal aus dem Weg räumen wollte.
    »Hat sie gewusst, wo er hin ist?«, fragte Deborah McDonald, als Clare sich wieder in die Fahrerkabine hievte.
    Wohin wohl? Wohin, da es doch so einfach war, einen Säugling umzubringen? Clare drückte sich die Finger auf die Stirn. In Gefahrensituationen beziehungsweise auf der Flucht wird es die meisten zu ihrer Ausgangsbasis zurückziehen, sagte »Hardball« Wright mit seinem schleppenden Akzent. Wenn nicht zu der gleichen Stelle, dann zu etwas Ähnlichem. Merken Sie sich das. Der Feind wird’s nämlich tun. Sie schlug die Augen wieder auf. »Ich glaube, er ist unterwegs zum Fluss. Zu dem Uferpfad am Payson’s Park oder zu der alten Eisenbahnbrücke. Ich werde dorthin fahren. Sagen Sie das der Polizei.« Falls Russ einen besseren Einfall hatte, konnte er es ohne Clare überprüfen. Sie legte den Gang ein, dass das Getriebe knirschte, stieß aus der Einfahrt zurück und streifte mit ihrer hinteren Stoßstange den Briefkasten der McDonalds, sodass er wild hin und her schwankte.
    Der Verkehr am Nordrand der Stadt floss nervenzermürbend zäh dahin, aber einen anderen Weg zu der Stelle, wo sie und Russ Katies Leiche entdeckt hatten, kannte Clare nicht. Sie bog auf die Route 137 nach Cossayaharie ein und zwang sich zu einer bedächtigen Fahrweise, um nicht die Abbiegung zum Park zu übersehen.
    Um ein Haar hätte sie sie trotzdem verpasst, weil sie glaubte, der frisch geräumte Weg ginge auf ein Privatgrundstück. Das Chassis des Wagens zitterte, als sie im letzten Moment die Kurve nahm und auf der unbefestigten Straße zum Parkplatz fuhr. Der regionale Winterdienst hatte ein großes U aus dem Neuschnee gepflügt, bevor er wieder auf die Route 137 zurückgekehrt war. Von ihrer Position aus konnte Clare nicht sagen, ob Spuren den Uferweg entlangführten. Sie schaltete den Motor in den Leerlauf, sprang aus dem Wagen und lief an den Rand des Parkplatzes. Der Weg zum Kill, hinter der Schneehalde, die der Pflug aufgeschüttet hatte, zeigte keine Fuß- oder Reifenabdrücke. »Vaughn Fowler«, zischte sie durch zusammengebissene Zähne, »wo steckst du?«

30
    C lare lief am Rand des Parkplatzes hin und her, um sicherzugehen, dass Fowler den Weg zum Fluss nicht durch den Wald abgekürzt hatte. Während sie nach einer Spur von dem Mann suchte, rutschte sie immer wieder in ihren Gummistiefeln aus, die nicht für Schnee bestimmt waren. Fehlanzeige.
    Clare fluchte, was sie sich seit Jahren nicht mehr erlaubt hatte, und stieg wieder in den Pick-up. Sie ließ ihren Kopf auf das Lenkrad sinken und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Konnte sie sich in Fowlers Ziel geirrt haben? Es war schließlich einfach, ein Baby zu töten, egal wo. Eine Geschichte, derzufolge die alten Römer unerwünschte Kinder gegen Mauern geschleudert hatten, drängte sich in ihr Bewusstsein. Mit einem Ruck bemühte sich Clare, die grausige Vorstellung zu verbannen, und konzentrierte sich auf Vaughn Fowler.
    Die Uferböschung, der Rastplatz an einem entlegenen Stück Landstraße, ein einsamer Forstweg hoch in den Bergen. Jede Stelle, an der er einen Mord oder Mordversuch verübt hatte, war weit weg von Ortschaften und Menschen. Eine Leiche konnte stundenlang unentdeckt bleiben, oder jahrelang. Clare setzte sich auf und rieb sich die Stirn. Ihr Überlebenstrainer hatte Recht gehabt. Fowler kehrte immer wieder an ähnliches Terrain zurück. Sie musste es bei der stillgelegten Eisenbahnbrücke probieren.
    Clare fuhr wieder auf die Landstraße und bog dann links ab. Wie sollte sie diese Brücke finden? Russ hatte ihr erklärt, sie liege eine halbe Meile flussaufwärts von dem Uferpfad, doch das hieß nicht zwangsläufig, eine halbe Meile auf der

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