Das Weisse Kleid Des Todes
wenn ich den Burns zu einer Adoption verhelfe, dann bringt mir das was bei den Bullen?«
»Wohl kaum. Aber deinem Gewissen könnte es etwas bringen.«
Er ließ sich ihr gegenüber auf den Stuhl fallen. »Was wir hier reden, dürfen Sie doch niemandem weitererzählen, stimmt’s?«
»Stimmt. Was wir hier reden, bleibt streng vertraulich zwischen dir, mir und Gott.«
»Ich war’s nicht.«
»Wesley …«
»Reverend, ich hab sie nicht umgebracht. Und auch nicht dieses Dreckstück, ihren Vater. Das macht mich wahnsinnig. Ich weiß nämlich nicht, wer es gewesen sein könnte. Sie war was … was Besonderes. Lieb. Witzig. Sie hat mich nicht wegen meiner Familie oder meinem Wagen gemocht. Ihr war das egal, ob ich Schulsprecher wurde oder nach West Point kam. Sie hat mich als das gemocht, was ich bin. Nicht als das, was ich darstellen sollte. Verstehen Sie?« Er wischte über die Tischplatte. »Ich wollte kein Baby haben, und ich wollte auch nicht heiraten. Aber nicht wegen ihr. Es war einfach … zu früh. Wissen Sie, was ich meine?«
»Ja.«
»Und sie wollte das, glaub ich, auch nicht – heiraten und ein Baby bekommen. Als wir wieder zurück in unserer jeweiligen Hochschule waren, hat sie mir eine lange E-Mail geschrieben, wie gern sie’s täte; aber das war wohl nicht richtig durchdacht. Mein Dad sagte, nach der Schwangerschaft können die Hormone einer Frau ein bisschen verrückt spielen, und wenn ich Katie eine Weile in Ruhe ließe, dann würde ihr schon klar, dass eine überstürzte Heirat keine gute Idee wäre.«
»Dein Dad hat das gesagt?«
»Ja. Ich dachte mir, wenn sie’s ohne das Baby wirklich nicht aushält, dann könnte ich ja von der Akademie auf die Uni in Albany wechseln; das ganze Militärding vergessen und einen kaufmännischen Abschluss machen – etwas, womit ich sie ernähren könnte. Aber ich wusste nicht, wie ich das finanziell schaukeln sollte.« Er sah zu ihr auf. »Für West Point braucht man nämlich nicht zahlen; deshalb hatte ich nichts auf der hohen Kante. Ich wusste nicht, ob meine Eltern uns aushelfen würden. Ich wollte erst mit Dad sprechen, bevor ich Katie den Vorschlag mache.«
Clare atmete tief durch, um ihre Stimme ruhig zu halten. »Du hast angeboten, West Point zu verlassen? Du hast vor dem Mord an Katie mit deinem Vater gesprochen?«
»Ja. Natürlich hätte ich ihm lieber verheimlicht, was für einen Mist ich gebaut hatte, aber ich musste mit ihm reden. Ich meine, hätten wir Cody wieder zu uns genommen und geheiratet, dann hätte Katie die Uni aufgeben müssen und wäre zu mir an die Akademie gekommen. Sie hätte ihr Stipendium verloren. Alles wäre total weggeschmissen gewesen. Und sie war doch so ’ne Leuchte. Gott, ich kann’s immer noch nicht glauben, dass sie tot ist.« Er vergrub sein Gesicht in den Händen.
Clare zog die Luft ein und hielt einen Moment den Atem an. »Wes? Kann sein, es klingt komisch, aber dürfte ich deinen Hinterkopf anfassen?«
Er schaute sie an, als hätte sie den Verstand verloren. »Äh … soll das vielleicht so ’ne Handauflegung werden – ’ne Geistheilung oder was?«
»Nein.« Sie stand von ihrem Stuhl auf und streckte die Hand nach Wes’ kurz geschorenem Haar aus. »Darf ich?«
Er zuckte mit den Schultern. »Klar.«
Sie fuhr ihm leicht über Schädeldecke und Hinterkopf, dann drückte sie fester zu. Nichts. Keine Beule, keine Schwellung, keine weiche Stelle. »Tut das irgendwo weh?«
»Nein. Was soll das, Reverend?«
»Ich taste nach der Wahrheit.« Sie sank wieder auf ihren Stuhl zurück. »Du warst gestern Abend nicht in den Wäldern, um mich zu töten.«
Er prallte zurück. »Sind Sie übergeschnappt? Natürlich nicht. Ich hab niemanden zu töten versucht! Ich war in meiner Studentenbude und habe gelernt.«
»Um welche Zeit wurdest du von deinem Dad abgeholt?«
»Heute, ziemlich früh. Es müssen ein Dutzend Typen sein, die mich gestern Abend gesehen haben: in meinem Zimmer, im Gang, auf dem Klo. Sie können sie ja fragen. Ich war nicht draußen auf Menschenjagd. Ich bin doch kein Killer!«
Clare betrachtete ihre flach auf dem Tisch liegenden Hände. Sie drehte sie herum und studierte die Innenseite. »In jedem Menschen steckt ein Killer, Wes. Dazu braucht’s lediglich das richtige Training. Und genügend Motivation.« Sie atmete tief durch. »Könnte dein Vater auf deine Mailbox zugreifen?«
»Ha? Nicht unter meiner Akademie-Adresse. Von meiner alten daheim könnte er was abschicken; da kennt er mein Passwort.«
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