Das Weltgeheimnis (German Edition)
und verdichtet sich zu einer mathematischen Formel, die bis heute Gültigkeit hat: Die dritten Potenzen der mittleren Abstände zweier Planeten von der Sonne verhalten sich so wie die zweiten Potenzen, also die Quadrate, ihrer Umlaufzeiten.
Kepler auf dem Index
Die Weltharmonik ist ein weiteres Bekenntnis Keplers zum kopernikanischen Weltbild. Dass die katholische Kirche Kopernikus mittlerweile auf den Index gesetzt hat, war Kepler zunächst entgangen. Er erfährt es erst, als Galilei über einen Mittelsmann ein Exemplar seines Lehrbuchs, der Epitome , anfordert.
»Aufs Dringendste« erbittet sich Kepler den Wortlaut des römischen Dekrets. Er will wissen, ob das Verbot auch für Österreich gilt. Was soll in diesem Fall aus seinen Werken werden? Was hat er für die Verbreitung der Weltharmonik zu befürchten?
In Deutschland hat man gegen den Druck des Buches nichts einzuwenden. »Als ich … darüber die katholischen Räte am kaiserlichen Hof befragte, sagten sie, es scheine kein Verstoß gegen die katholische Lehre vorzuliegen.« Und in Italien?
Im Frühjahr 1619 wendet sich Kepler mit einem Schreiben an die italienischen Buchhändler. Sie sollten das Buch an die Gelehrten weitergeben, die es mit einer besonderen Genehmigung lesen dürfen. Sich selbst stellt er als guten Christen vor, der auch die katholische Lehre anerkenne, und als einen allmählich ziemlich alten Schüler des Kopernikus. Jetzt aber habe »das schroffe Vorgehen Einzelner, die die astronomischen Lehren nicht am rechten Ort und nicht nach gehöriger Methode vortrugen, dazu geführt …, dass das Lesen des Kopernikus, das seit fast 80 Jahren vollkommen frei gewesen ist (seit der Widmung des Werks an Papst Paul III.), solange untersagt wurde, bis das Buch verbessert würde«.
Der Vorwurf ist unter anderem an Galileis Adresse gerichtet, der seine Sache, wie Kepler erfahren hat, in Rom allzu rigoros behandelt habe. Kepler ist direkt davon betroffen. Im Mai 1619 wird seine Epitome verboten, von italienischen Mathematikern allerdings weiterhin gelesen.
Zahlreiche Dokumente belegen, dass Kepler und Galilei auch in diesen Jahren zumindest indirekt miteinander in Verbindung stehen. Trotzdem sind mit dem Dekret gegen Kopernikus und dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges neue zentrifugale Kräfte ins Spiel gekommen, die die Wissenschaft an den Rand drängen und ihre Protagonisten auseinandertreiben. Galilei hatte sich schon vorher dadurch verdächtig gemacht, Kontakt zu Ketzern zu pflegen. Jetzt gelten Mathematiker wie Kepler in Rom in doppeltem Sinn als irrgläubig: nicht nur ihrer religiösen, sondern auch ihrer wissenschaftlichen Überzeugungen wegen.
Kepler publiziert inzwischen wieder eifrig, um Galilei ist es stiller geworden. Zwar verschickt er nach wie Fernrohre an Adressaten in ganz Europa, aber nach seinem kometenhaften Aufstieg scheint sein Licht in Italien allmählich zu verblassen. Der Hofphilosoph der Medici hat seit Jahren keine neuen Entdeckungen mehr gemacht, nun darf er auch seine kopernikanischen Gedanken nicht mehr offen vertreten.
Im März 1616 wird ihm der Mund verboten. Untätig muss er zusehen, wie immer mehr Gelehrte, darunter die einflussreichen Jesuiten am Collegium Romanum, zu Verfechtern des tychonischen Weltbilds werden, das den empirischen Befunden genauso Rechnung trägt wie das kopernikanische, ohne dass die zentrale Stellung der Erde dafür aufgegeben werden müsste.
Galilei contra Tycho
Im Jahr 1618 feiert Tycho Brahe ein fulminantes Comeback. In der zweiten Jahreshälfte tauchen nacheinander drei Kometen am Nachthimmel auf, die ersten seit der Erfindung des Fernrohrs. Plötzlich stehen Brahes Kometenbeobachtungen von 1577 und 1585 noch einmal im Mittelpunkt astronomischer Debatten.
Die Jesuiten nutzen ihr europäisches Wissenschaftsnetz, um die drei Kometen, die allgemein als Unheilsboten gelten, von verschiedenen Standorten aus zu beobachten, insbesondere den letzten und hellsten von ihnen. Galilei dagegen droht die nächste Schlappe. »Während der ganzen Zeit, die man den Kometen sehen konnte, lag ich krank im Bett.«
Als guter Katholik hat er im Mai desselben Jahres eine Pilgerreise nach Loreto unternommen, einen Ort, der für Wunderheilungen bekannt ist. Doch im September sind seine Fieberanfälle und rheumatischen Beschwerden zurückgekehrt. Monatelang hütet er das Bett. Der Forscher, dessen Name in ganz Europa mit dem Fernrohr gleichgesetzt wird, auf dessen wissenschaftliche Expertise nun der
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