Das Weltgeheimnis (German Edition)
Gefäß fließen …«
All dieser Dinge solle man sich sorgfältig vergewissern. Und darauf achten, was geschieht, wenn das Schiff seine Fahrt aufgenommen hat. »Ihr werdet – wenn nur die Bewegung gleichförmig ist und nicht hier- und dorthin schwankend – bei allen genannten Erscheinungen nicht die geringste Veränderung eintreten sehen. Aus keiner derselben werdet ihr entnehmen können, ob das Schiff fährt oder stille steht.«
Genau dasselbe gelte für einen Stein, den man vom Schiffsmast fallen lasse. Egal ob das Schiff vor Anker liegt oder sich mit gleichbleibender Geschwindigkeit bewegt – der Stein komme immer am Fuß des Mastes an. Auch ohne das Experiment je durchgeführt zu haben, ist sich Galilei gewiss, dass das Ergebnis genau so ausfällt.
Der Franzose Pierre Gassendi macht wenige Jahre später die Probe aufs Exempel. Er lässt tatsächlich einen Stein vom Mast einer schnell fahrenden Galeere der französischen Flotte hinunterfallen. Solche Ruderschiffe erreichen seinerzeit kurzfristig Spitzengeschwindigkeiten von 18 Kilometern pro Stunde, also etwa fünf Metern pro Sekunde. Ein Stein, aus fünfzehn oder zwanzig Metern Höhe fallen gelassen, hätte demnach der traditionellen, aristotelischen Bewegungslehre zufolge etliche Meter zurückbleiben müssen. Gassendis Experiment spricht klar für Galileis Sicht und gegen die alte Lehre.
Eine Lehre, die Kepler und die meisten seiner Zeitgenossen nie ernsthaft infrage stellen. Obschon Kepler die Bewegung der Planeten mathematisch richtig beschreibt und ganz modern von physikalischen Anziehungskräften spricht, denkt er gleichzeitig noch in den alten aristotelischen Kategorien. In seinen Augen setzt jede Bewegung eine Kraft voraus, die Geschwindigkeit verhält sich genau proportional zur wirkenden Kraft.
Erst Galilei krempelt die aristotelische Physik um: Nicht nur die Ruhe ist von Dauer, sondern auch die Bewegung mit einer gleichbleibenden Geschwindigkeit. Was einmal in Fahrt gekommen ist, fährt von sich aus weiter. Lediglich die Änderung der Geschwindigkeit, also eine Beschleunigung oder Bremsung, erfordert den Einsatz einer Kraft. Galileis Physik macht den Weg frei für eine neue mathematische Beschreibung der Natur.
Unter dem vorläufigen Schutz des Papstes
Aus dem Fallexperiment lässt sich allerdings nicht schließen, ob sich die Erde wirklich dreht oder nicht, ob das kopernikanische System richtig ist oder falsch. Beides ist möglich. Ein derart offenes Ende des Dialogs wäre ganz im Sinne des Papstes. Es wäre ein weiterer Beleg für die Unergründlichkeit der göttlichen Schöpfung, von der Galilei schon in seinem Saggiatore gesprochen hatte.
Im Frühjahr 1630 unterhält sich Galilei mit Urban VIII. über den bevorstehenden Druck seines Dialogs . Der Papst gibt ihm positive Signale und stellt ihm sogar eine großzügige Pension in Aussicht. Wie Galilei versteht er sich als Intellektueller, beide stammen aus angesehenen Florentiner Familien.
Unter den Adelsgeschlechtern in Rom muss sich der Papst seine Beziehungen jedoch erst noch schaffen. Maffeo Barberini wählt dazu den typischen Weg: Er ernennt nach seinem Amtsantritt seine Neffen zu Kardinälen und seine Freunde zu hochrangigen Kirchendienern, tritt als Förderer von Künstlern und Wissenschaftlern wie Galilei in Erscheinung.
Den größten Ehrgeiz steckt Urban VIII. in Bauprojekte. Ganz Rom bepflastert er mit seinem Familienwappen, den Bienen. Die Heilige Stadt wird einer architektonischen Gehirnwäsche unterzogen, für die der Papst das Kolosseum als Steinbruch nutzt und den verbliebenen Bronzebelag vom Dach des Pantheons abnehmen lässt. In Rom heißt es noch heute über ihn: »Was die Barbaren nicht schafften, das schafften die Barberini.«
Statt wie seine beiden Vorgänger die Gegenreformation mit allen Mitteln zu fördern und Kaiser Ferdinand II. im Krieg gegen die Protestanten zu unterstützen, schaut Urban VIII. vor allem auf seine familiären Interessen. Im Laufe seines Pontifikats gerät er deswegen zunehmend unter Druck.
Der Tempel der Astronomie, den Kepler für seine »Rudolfinischen Tafeln« entworfen hat. Die Säulen bilden Hipparchos und Ptolemäus, Kopernikus und Tycho Brahe. Für sich selbst hat Kepler dagegen einen bescheidenen Platz im Sockel unten links am Arbeitstisch sitzend gewählt. [17]
Als besonders schweren Fehler kreidet man ihm seine Position im Erbfolgestreit um das Herzogtum Mantua an. In dieser heiklen Auseinandersetzung macht sich der Papst zum
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